Samstag, 19. Oktober 2013

Nur mit Empire-Schnitt zu bewältigen: Chef's Table

Was mich am meisten überraschte, war diese Ruhe. Ich hatte hektisches, lautes Küchentreiben erwartet, wie man es aus einschlägigen TV-Formaten kennt. Statt dessen fand ich mich wieder inmitten einer Atmosphäre konzentrierter Geschäftigkeit, bei der jeder Handgriff saß: In der Mitte sechs oder acht Teller für den Hauptgang, und acht Hände arrangieren mit routinierter Perfektion Gemüse, Fleisch oder Fisch und dekorative Elemente.
Und wir waren mittendrin...













Chef's Table nennt sich das kulinarische Highlight unseres Urlaubs-Hotels Lindenhof in Naturns bei Meran. Was uns erwartete, war ein Zehn-Gänge-Degustationsmenü inklusive Wein- und Olivenölverkostung.
Ich brauche nicht zu sagen, dass ich den Tag über fastete, am Abend ein Kleid mit Empire-Schnitt trug und am folgenden Morgen besonders eifrig eine Wanderung antrat.


In einer vertäfelten Nische der Hotelküche, direkt vor dem Arbeitsbereich von Pâttisier Josef Martin, wartete ein schön eingedeckter Tisch mit einer ganzen Batterie von Gläsern auf uns - das sah nach ganz viel "Arbeit", aber auch sehr viel Vergnügen aus. An dem Tisch sitzt täglich die Küchencrew, bespricht ihr Tagesprogramm und isst gemeinsam zu Abend. Von unserer Ecke aus aus überblickten wir einen Großteil der Küche, in der ich mich frei bewegen und auch fotografieren durfte.
Als Gäste des Chef's Table wurden wir von Juniorchef Joachim Nischler betreut, der uns zu Beginn kurz den Ablauf des Abends erklärte.
In der "Aufwärmphase" gab es zunächst Olivenöl aus drei verschiedenen Regionen Italiens - vom Gardasee, aus der Toskana und aus Sizilien -, in das wir unser Baguette aus hauseigener Produktion genießerisch stippen konnten. Dazu gab es noch selbstgebackene Vollkornbrötchen mit einem feinen Kürbisaufstrich.




Fast gleichzeitig ging es dann aber los mit dem ersten Gang des grandiosen Menüs, das Chefkoch Andreas Pircher mit seiner Crew direkt vor unseren Augen zubereitete. Natürlich gab es das Beste, was Südtirol in dieser Jahreszeit zu bieten hat: Spezialitäten und Produkte der Region, neu interpretiert, ihrer landestypischen, alpinen Üppigkeit beraubt und mit viel Liebe angerichtet. Abgesehen vom eher noch traditionell italienisch gehaltenen Mise-en-Bouche-Teller, fällt bei den Menüs des Hotels positiv auf, dass hier noch gekocht wird. Für mich bedeutet das, dass nicht nur - wie sonst oft in Italien - regionale Produkte wie Käse, Schinken- oder Wurstwaren, eingelegtes Gemüse und Oliven auf einem Teller angerichtet und dann als Antipasto "verkauft" werden, sondern dass man aus den Produkten ein Gericht entwickelt - für die Vorspeise, den Hauptgang oder auch das Dessert. Darin unterscheidet sich die (gehobene) Küche Südtirols ganz wesentlich von den anderen italienischen Regionalküchen, die ja für ihre Einfachheit bekannt sind - von Ausnahmen natürlich abgesehen.


Vier kleine "Grüsse aus der Küche", unter denen die Hotelgäste an diesem Abend von einem Buffet wählen durften, vereinigten sich für uns auf einem Teller: Roastbeef auf marinierten Pfifferlingen, Burrata auf Tomatengemüse, Lammschinken auf mariniertem Kohlgemüse und zu einer Rose gewickelten Parmaschinken mit hauchdünnen Melonenstreifen.
Das Angebot, kurz aus der Küche zu schlüpfen und sich am Salatbuffet zu bedienen, schlugen wir aus - angesichts der Dinge, die da noch kommen sollten. So ging es weiter mit einem erfrischenden Saft aus Trauben aus dem hauseigenenen Garten, gefolgt von einem Schaumsüppchen von der Pastinake mit würzigem Tatar von Rindern aus dem Pustertal.




Zu den Highlights des Abends gehörte für mich unbedingt der gebackene Polentaknödel auf einer Artischockencrème mit Taggiasche-Oliven, meiner bevorzugten Olivensorte, und Salami "Napoli". Nicht nur in seiner Präsentation überzeugte dieser Gang, auch die feinen Aromen - ich meinte, einen Hauch von Curry zu schmecken - waren auf das Harmonischste aufeinander abgestimmt, ohne dass sich eine Zutat zu sehr in den Vordergrund drängte.



Üppiger ging es dann bei der zweiten warmen Vorspeise zu; und jetzt waren wir kulinarisch endgültig in Südtirol gelandet: Mit frischen Pfifferlingen gefüllte Kartoffelmaultaschen auf flüssigem Spinat.



Mit einem Pastagang, bestehend aus dem eingespielten Team Gorgonzola, Birne, Rauke und Walnüssen, füllten wir unsere Kohlehydratspeicher noch zusätzlich auf.
Spätestens jetzt war uns klar, dass wir am folgenden Tag nicht faulenzen, sondern die Südtiroler Wanderwege unsicher machen mussten. Denn wir waren noch nicht einmal bei den Hauptgerichten angekommen, die drohend vor uns angerichtet wurden. Falls uns etwas besonders gut schmecke, informierte uns Joachim Nischler, dürften wir ruhig noch einmal den gleichen Gang verlangen. Natürlich schmeckte uns alles besonders gut, aber wir kämpften schon mit den angebotenen Portionen und mussten dankend ablehnen.




Gnadenlos flatterte danach ein Stubenküken herbei, gebettet auf Erbsenpüree, getrockneten Tomaten, Pinienkernen und Karotten.



Den Fischgang - gebratenes Rotbarbenfilet mit Salsa Verde auf Provencalgemüse und Thymianfocaccia ließen wir aus - ich mag ja keinen Fisch - und wandten uns statt dessen einem bodenständigen Küchenklassiker zu: Zwiebelrostbraten.



Immer wieder schielte ich während des Essens auf die feinen Desserts, die Pâttisier Josef Martin in seinem kleinen Reich in der Nähe unseres Tisches zubereitete. Nun war es soweit, und ich hoffte inständig, dass sich mein Magen dafür noch ein Eckchen ausgespart hatte.



Auch bei den Dolci hatte ich einen Favoriten: Das Meraner Kurtrauben-Gratin mit Quittensorbet und Strudelteigstangen, für das ich mich als erstes entschied - wohlwissend, dass sich langsam leichte Erschöpfungssymptome einstellten.





Jetzt aber nur nicht schwächeln, dachte ich, und wagte mich danach noch an Dessert Nr. 2, ein Schokoküchlein mit Crème-Brûlée-Kern, Tonkabohnenespuma und Fruchtsorbet.




Dazu gab es noch einige hausgemachte Pralinen und raffiniert gefüllte Schokoladentrüffel, für die ich allerdings kaum noch Platz fand.


Noch kurz ein Wort zu den Weinen. Begleitet wurde unser Menü von einer Auswahl von Weinen Südtirols. Insgesamt waren es vier Weißweine, zwei Rotweine und zwei Süßweine.







Grüner Veltliner, Kerner, Manni Nössing, 2010

Voglar, Sauvignon, Peter Dipoli, 2010

Falkenstein, Weißburgunder, 2012

Löwengang, Chardonnay, Alois Lageder, 2009

Blauburgunder, Franz Haas, 2010

Lagrein, Elena Walch, 2008

Schloss Juval, Unterortl, Riesling Spätlese, 2009

Le Petit Manicor, Graf Enzenberg, 2009




Wir unternahmen anschließend einen Spaziergang durch die zu später Stunde leere Ortschaft Naturns und gönnten uns danach noch einen Verdauungsschnaps an der Hotelbar...

Besonders stolz zeigte sich Joachim Nischler von Beginn an darüber, dass er nach den letzten Umbauten im Hotel und in der Küche nun den höchsten Hygienestandard erfülle. Nur deshalb dürften dort einzelne Gäste auch direkt bewirtet werden - was in anderen Restaurants nicht selbstverständlich ist. Die Küche des Hotels Lindenhof sei zertifiziert nach den Regeln für die dritte und höchste Stufe des HACCP-Konzeptes (Hazard Analysis and Critical Control Points-Konzept). 
Der Chef's Table kann von Hotelgästen für zwei bis vier Personen für die Tage Dienstag, Mittwoch und Freitag im Voraus gebucht werden. Der Preis pro Person beträgt zuzüglich zur 3/4 DolceVita-Pension 30 Euro ohne Weindegustation und 60 Euro mit Weindegustation (so wie auch für unseren Abend am Chef's Table).

Dolce Vita Hotel Lindenhof
Kirchweg 2
I-39025 Naturns (bei Meran)
Tel.: 0039 0473 666242
Fax: 0039 0473 668298
E-Mail: info@lindenhof.it
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♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

24 Kommentare:

  1. Wow wow wow... Ich waere da sehr gerne dabei gewesen!!!!

    LG Wilma

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    1. Kann ich gut verstehen! Auf diesen Abend hatte ich mich auch wirklich gefreut - und wurde nicht enttäuscht :-)
      Saluti
      Ariane

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  2. Ein fantastisches Menü und wunderschön beschrieben. Danke fürs Mitnehmen.
    LG Monika.

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    1. Meine Bloggerkollegen und Kochfreunde auch wenigstens virtuell mitnehmen - das war das mindeste! :-)
      Saluti
      Ariane

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  3. Whoa, wie toll!! Da wäre ich auch gerne mit gewesen...
    Wenigstens warst du schlauer als ich, was die Kleiderwahl angeht, ich denke da vorher meistens nicht drüber nach, steh dann da in einem engen Kleid und versuche verzweifelt den Bauch zu verbergen ;-)

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    1. Wenn üppiges Essen winkt, sind solche Kleider perfekt ;-). Den "armen" Männern bleibt nur, heimlich den Gürtel etwas weiter zu schnallen :-)
      Saluti
      Ariane

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  4. Ein Traum! Da wäre ich auch gern dabei gewesen...Muss ich unbedingt meinem Mann zeigen, vielleicht machen wir bei unserem nächsten Gardasee-Urlaub auf der Heimreise einen Abstecher für eine Nacht... :) Vielen Dank für die tollen Fotos und schön geschriebenen Bericht. LG Kirsten

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    1. Da müsst Ihr unbedingt einen kulinarischen Stopp einlegen - und wie bereits geschrieben: Am Abend bequeme Kleidung (und am folgenden Tag ein Sportprogramm)! :-)
      Saluti
      Ariane

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  5. Wow! Danke für die schönen Fotos dazu. Ich studierte natürlich die Nachspeisen am eifrigsten. Zwei mal Dessert und hausgemachte Pralinen. Ein wahrer Traum!

    Liebe Grüße und einen schönen Sonntag
    Anna

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    1. Die Nachspeisen waren wirklich ein Traum, wobei mir besonders dieses Gratin schmeckte. Mit dem Pâttisier sprach ich auch über das tolle Schokotörtchen. Wie ich es mir dachte, fror er dafür die im Ofen gestockte Crème Brûlée in kleine Pralinenförmchen ein, dann werden die gefrorenen Crème-Bällchen vor dem Backen in den Schokotörtchen versteckt. :-)
      Saluti
      Ariane

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  6. Wahnsinn!
    Das Einzige, was noch fehlt, ist ein Foto von dir im Kleid mit Empire-Schnitt, meine Liebe. ;)

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    1. Das nächste Mal: Vorher - nachher :-) !
      Saluti
      Ariane

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  7. Ganz wunderbar, dieser speisende Reisebericht im Sitzen. Wie lange im Voraus habt Ihr gebucht? Und wie der Turbohausfrau fehlt mir der optische Empire-Schnitt ;-)

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    1. Diesen kleinen Urlaub hatten wir ganz spontan vier, fünf Tage vorher gebucht und dabei auch gleich einen Tisch für den Chef's Table reserviert. Es war natürlich Glücksache, dass noch etwas frei war. Aber ich denke, wenn man rechtzeitig plant (so, wie wir das leider nie machen und auch machen können :-) ), gibt es keine Probleme, noch ein Plätzchen am "Küchentisch" zu finden.
      Saluti
      Ariane

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  8. Ein wundervolles Hotel - ich habe es mir gerade angeschaut. Danke, dass wir ein dem traumhaften Essen teilhaben durften. Heute beim Mittagessen habe ich an Dich und Deine Kleid im Empire-Stil denken müssen - schau mal hier ;-)

    http://bonjouralsace.blogspot.fr/2013/10/auberge-de-la-chapelle-geispolsheim-und.html

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    1. Das war aber auch ein tolles kulinarisches Feuerwerk, dass Ihr da genossen habt! Manchmal ist es doch wirklich schön, sich ausgiebig bekochen zu lassen. So ein Mirabellenschnäpschen danach war sicher der richtige Abschluss...
      Saluti
      Ariane

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  9. Na, jetzt weiß ich ja, wovon ich nachher träumen werde! Und davon muss ich nicht am nächsten Tag joggen gehen... Wunderschöner Bericht! Buona notte wünscht Elvira

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    1. Auch ich träume immer noch davon, lasse den Abend Revue passieren. Ich hoffe, irgendwann wiederholen wir das einmal :-)
      Saluti (auch an Alfredo)
      Ariane

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  10. Liebe Ariane,
    nachdem ich mal wieder Deinen Blig besucht habe, möchte ich mich unbedingt dazu äußern.
    Ein toller kulinarischer * Spaziergang* !
    Gerade haben wieder darüber gesprochen, auch einmal wieder gern nach Südtirol zu fahren, so kann ich jetzt planen :-) :-) Die Info zum Hotel ist gespeichert ! Lieben Dank !
    Biggi

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    1. Schön, dass ich auch Dich "mitnehmen" durfte auf diesem Spaziergang. :-)
      Die Region Südtirol gefällt mir wirklich immer besser; leider hatten wir nicht soviel Glück mit dem Wetter, da es in höheren Lagen schon geschneit hatte und der Meraner Höhenweg nicht mehr begehbar war. Aber es ist dort wirklich wunderschön! :-)
      Saluti
      Ariane

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  11. Hi ariane,
    das liest sich traumhaft und genau wie maritimu weiss ich wovon ich später träume.
    Danke für den tollen Bericht.

    lg
    grimmel

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    1. Da träume ich doch gleich nochmal mit. Es scheint schon wieder so lange her...
      Saluti
      Ariane

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  12. Das sieht großartig aus - da wird man glatt ein bissl neidisch ;) Auch das du überall fotografieren durftest...!

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    1. Ich habe natürlich ganz zaghaft erst einmal angefragt, ob ich denn fotografieren dürfe und eventuell auch darüber bloggen. Natürlich habe ich mich im Küchenbereich sehr zurückgehalten, um die Arbeit nicht zu stören, und bin nur einmal direkt zum Zentrum des Geschehens etwas weiter in den Raum vorgedrungen.
      Auf jeden Fall war es ein Erlebnis! :-)
      Saluti
      Ariane

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