Donnerstag, 30. Juli 2015

Ein Traum: Tagliolini con pomodorini al forno, vaniglia, menta e pecorino



Wenn ich jetzt in Apulien wäre, an einem heißen Hochsommertag in Apulien - ich würde meine Tomaten auf einem kleinen, niedrigen Mäuerchen trocknen...
Der weiße Verputz der von Bougainvillea umklammerten Hauswände reflektiert das gleißende Licht der Sonne und richtet es auf meine Tomaten, und ich beobachte, wie sie langsam zu dunkelroten, runzligen Häufchen zusammenschrumpeln. Eine leichte Prise vom Meer spendet die salzige Würze, die meine kleinen Tomatenmumien so aromatisch werden lassen. Ich warte, ich sitze barfuß in einem weißen Kleid aus kühlendem Leinen unter einem uralten knorrigen Olivenbaum, der mir flirrenden Schatten spendet. Ich rieche den archaischen Duft seines von der Hitze erwärmten Holzes, unter das sich Aromen der immergrünen Macchia schleichen. Nur die Grillen zirpen ihre monotone Melodie und geben mir das Gefühl, nicht ganz alleine zu sein. Ich beiße in das Stück einer reifen Wassermelone, der hellrote Saft rinnt durch meine Finger und tropft auf mein weißes Kleid - egal - ich schaue weiter in Richtung meiner Tomaten, über sie hinweg, bis sich mein Blick irgendwo auf dem glitzernden Meeresschaum verliert. Ich habe ja Zeit, soviel Zeit, ja die Zeit scheint stillzustehen an diesem heißen Hochsommertag in Apulien.
Wenn ich denn in Apulien wäre...
Schnitt!
Ich bin in Rom, in meiner kleinen heißen Küche in Rom und trockne schon seit über drei Stunden meine Tomaten im Ofen.
... und wenn ich in Apulien wäre, dann gäbe ich Kräuter hinzu, etwas Thymian, einen Hauch Knoblauch, vielleicht sogar Oregano...
Aber ich bin in Rom, und wenn ich in Apulien wäre, würden meine Tomaten niemals die Bekanntschaft von Vanille machen...






Zutaten
(für 2 Personen)

Pasta

150 g Mehl, gesiebt
50 g Hartweizengriess
ein Prise Kurkuma (fakultativ)
2 Eier
Salz
ein paar Tröpfchen Olivenöl extra vergine

Nach meinem Grundrezept einen Pastateig herstellen und diesen nach der angegebenen Ruhezeit portionsweise durch die Walze für Tagliolini drehen.
Diese feinen Nudeln benötigen nur etwa eine Minute Garzeit.




Tomaten

750 g Kirschtomaten
Olivenöl extra vergine
1 Vanillestange
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
etwas brauner Zucker
Olivenöl extra vergine
4 Minzblätter
40 g Pecorino Romano


Die Tomaten halbieren, mit Salz und etwas Zucker bestreuen, mit Olivenöl beträufeln und auf einem mit Backpapier ausgelegtem Blech bei 120 Grad (Ober- und Unterhitze) für ca. 4 Stunden in den Ofen schieben.
Etwas Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und die Tomaten mit dem ausgekratzten Mark der Vanille, und der kleingeschnittenen Minze kurz schwenken. Mit Salz und Pfeffer abschmecken, die Pasta untermischen, die Pfanne vom Herd ziehen und den geriebenen Pecorino unterheben.

Rezeptquelle: Inspiriert durch eine Kreation von Salvatore Tassa.







Restaurant-Tipp:
Ristorante Colline Ciociare
Chef: Salvatore Tassa
Michelin: 1 Stern

Via Prenestina, 27
Acuto - Frosinone
Tel.: 0775 56049
info@salvatoretassa.it
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Ariane

Sonntag, 26. Juli 2015

Sternewürdige Tomatensaucen: Ristorante Don Alfonso 1890 in Sant'Agata sui due Golfi



Kaum hatte Alfonso Iaccarino den Kochlöffel an seinen Sohn Ernesto übergeben, brach ein Streit aus, der unterschwellig schon lange vorhanden war: Kann man mit Pastagerichten und "bodenständiger" italienischer Küche drei Michelin-Sterne erreichen?
Vater Alfonso - Don Alfonso - war über jeden Zweifel in dieser Frage erhaben, schließlich hatte er bereits einen dritten Stern erkocht, als weite Teile Süditaliens noch kulinarisches Entwicklungsland waren: In den vergangenen Jahrzehnten wurde das Bild des kulinarischen Italiens geprägt von der Cucina povera in der Osteria.


Trotzdem wagte es Don Alfonso, seine kulinarische Linie gerade auf der einfachen und regionalen Küche aufzubauen. Das italienische Prinzip der besten Zutaten hat er dabei auf die Spitze getrieben. Inzwischen hat die Familie Iaccarino neun Hektar Obst- und Gemüsegärten, die direkt an ein Naturschutzgebiet angrenzen und mit fünf landwirtschaftlichen Mitarbeitern bewirtschaftet werden.
"Wir wollen gar nicht die Franzosen imitieren, das haben wir nämlich nicht nötig", sagt Giuseppe di Martino, "Pastapapst" aus Gragnano, der auch zu den Gästen an diesem Abend gehörte. "So wie die italienische Mode einen ganz anderen Charakter als die französische hat, gibt es eben auch grundlegende Unterschiede in der Küche!"
Nun gibt es nach wir vor eine eingefleischte französische "Fraktion", die der Küche Italiens das Sterne-Niveau abspricht. Immer wieder taucht diese Feststellung in diversen Blogs auf. Aber gibt es in Frankreich wirklich nur die einzig wahre, in höchstem Maße veredelte Küche? Dominieren nicht auch dort regionale, teils bäuerliche Traditionen? Auch wurde ich schon gefragt, ob es in Italien überhaupt so etwas wie eine gehobene Gastronomie gebe; meist macht mich das sprachlos. Andererseits verstehe ich diese Unkenntnis auch; man kennt halt die von süditalienischer Küche geprägte Trattoria, den "Italiener und die Ecke", das Touristenlokal am Gardasee oder in den Kunststädten des Stiefels. Aber repräsentiert das die wahre Küche Italiens? Allzu leicht vergessen wird, dass es früher schon eine gehobene - aristokratische - Küche in Italien gab, etwa an den Fürstenhöfen.



Der Besuch bei Don Alfsonso 1890 in dem kleinen Städtchen Sant'Agata sui due Golfi war Höhepunkt eines kurzen Aufenthalts in Sorrent im vergangenen Juni. Ein Abend voller Genuss, der mit einem Besuch in der Küche begann und seinen würdigen Abschluss in der Besichtigung des spektakulärsten Weinkellers, den ich je gesehen habe, endete.







Ambiente und Service waren tadellos, ganz so, wie man es sich von einem Sterne-Restaurant erwartet, das Menu sorgte für jene Gaumenfreuden, die das Merkmal jeder gehobenen Küche sind, in dem es dieser gelingt, die Quintessenz des Geschmacks aus einem Gericht herauszukitzelten. Die Herzlichkeit der Familie Iaccarino machte den Abend schließlich perfekt.
Während des Abends konnte ich in die Küche schauen, und ich bewunderte dabei das aufeinander abgestimmte Zuarbeiten in der Küche, in der es ruhig und konzentriert wie in einem OP-Saal zuging. Die Küche selbst ist mit mit farbenfrohen Majoliken ausgekleidet, die Muster aus dem 19. Jahrhundert zum Vorbild haben und typisch für die Region sind.



Einige der hier abgebildeten Fotos zeigen die Gerichte meiner Tischnachbarn. Für mich gab es immer wieder Alternativen ohne Meeresgetier.
Natürlich wurde viel und angeregt über das Essen gesprochen. Später gesellte sich auch der Maestro selbst sowie seine Frau zu uns, während sein Sohn Ernesto noch in der Küche beschäftigt war. Ungewöhnlich ist übrigens der Werdegang von Ernesto Iaccarino: Zunächst das Studium der Wirtschaftswissenschaften an Mailands Elite-Uni, der Bocconi, dann die Erkenntnis, doch die berufliche Bestimmung und seinen Platz im Restaurant der Familie zu suchen - und schließlich zu finden. Das Talent und die Kreativität im Umgang mit den in ihrer Qualität herausragenden Produkten einer der spektakulärsten Gegenden von Italien scheinen ihm in die Wiege gelegt worden zu sein...

Das Amuse-Bouche, begleitet von hauchdünnen "Chips", für mich nur mit Kurkuma aromatisiert.  Die anderen Gäste hatten zusätzlich noch mit Sepiatinte eingefärbte, hauchdünne Brotchips, Zucchini-Häppchen ...





Das Olivenöl zum Menu: Nocello di Belice...                                                                                                                                        



Parmigiana di Melanzane...




Calamaretti ... mit Ricotta gefüllt, auf einer Salsa aus Erbsen und Ingwer...




Nostro Orto ..."unser Garten": Spinatmousse, karamellisierte Zwiebelm, Meerrettich-Eis...




In seinem Element: der Sommelier...




Petto d'anatra ... mit Zimt aromatisierte Entenbrust,  Borretsch-Pulver, Apfelmus und Balsamico-Reduktion...





Salsiccia di pezzogna ... eine Art "Wurst" aus Zahnbrasse, eine im Golf von Neapel vorkommende Fischart, mit Pistazien, Spargel, Trüffel (nach einem Rezept aus Bourbonischer Zeit [1743-1862])...






Gnocco acqua e farina ... Gnocco mit flüssigem Kern aus geräucherter Scamorza. Sugo aus Kirschtomaten vom Vesuv...




Nudi di ricotta ... Ricotta-Tortelli in Knurrhahn-Reduktion, mit Verbene-Aufguss...




Cappelli di pasta farciti con stracotto di pollo ... Cappelli mit einer Füllung auf langsam geschmorten Geflügel-Fleisch auf Zwiebel-Parmigiano-Sauce, mit Trüffeln...





Filetto di manzo del Beneventano ... Rinderfilet von Rindern, die in einer Höhe von über 1000 Meter weiden und sich nur von Kräutern ernähren, in Brot-Mangold-Mozzarella-Pancetta-Mantel, "grüne Sauce" aus Broccolo Napoletano , pikantes Tomatenpüree...





Agnello Laticauda ... Lamm mit frischen Kräutern...




La reinterpretatione dell'uovo in tegamino ... ein weiterer Höhepunkt, Ei in fluffiger Burrata-Crème mit Trüffel...




Concerto di limone ... die wahrhaft paradiesische Zitronencrème - natürlich aus Amalfi-Zitronen - wäre schon alleine einen Besuch des Restaurants wert. Versenkt darin war ein kleines Gebäckstück, das perfekt mit der unglaublichen Weichheit Crème harmonierte. Frau Iaccarino gab mir den Tipp, unbedingt ein Stückchen Schale zu essen, und allein das war ein Geschmackserlebnis, das man wohl nur diesen einzigartigen Zitronen zu verdanken hat. Um es zusammenzufassen: Hier dominierte die sanfte Seite der Zitrone, ein Triumph dieser oft nur als Zutat und Geschmacksverstärker verwendeten Frucht, der seinesgleichen sucht.




Soffiato di pastiera ... Leider gibt es nur ein schlechtes Foto von meinem absoluten Dessert-Favoriten: einem Soufflè von der Pastiera, jenem berühmten Osterkuchen aus Neapel, das mit einem Gewürzhonig-Sorbet zusammen serviert wurde. Was da an Geschmack auf meiner Zunge getanzt hat, kann ich mit Worten nicht wiedergeben. Und nein, ich übertreibe da nicht!





Geometrie di cioccolato ... Interessant war eine Art "Schokoladenparcours", den man in einer vorgegebenen Reihenfolge probieren musste. Waldfrüchte und Szechuan-Pfeffer aromatisierten die einzelnen Elemente, das mit Rughetta gefüllte Schokokästchen soll am Ende der kleinen Schokoladen-Degustation die Zunge "reinigen"... 



Piccola Pasticceria... Raffinierte Pâtisserie schloss das Menu ab: Macarons, gefüllte Kirschen und andere verlockende Kleinigkeiten, natürlich dekoriert mit ein paar Show-Effekten...




Begleitet wurde das Menu von einigen edlen Weinen, die viele Jahre in dem einzigartigen Kellergewölbe gereift waren. Nach der Schlemmerei tat der Abstieg in die Unterwelt gut. Bis ganz in die Tiefe nur hatte ich es dann - es war weit nach Mitternacht - doch nicht mehr geschafft. Aber bei einem nächsten Besuch dringe ich auch bis in das unterste Kämmerchen mit den ausgesuchten Käsesorten vor!










Erfreulicherweise bin ich jetzt stolze Besitzerin eines von Ernesto Iaccarino handsignierten Kochbuchs, das zu studieren sich lohnt. Vorerst schwelge ich aber noch in meinen Geschmacks-Erinnerungen.







Don Alfonso 1890
Corso Sant'Agata, 11/13
80064 Sant'Agata sui due Golfi/Napoli
Tel.: 0039 0818780026 ǀ 0039 0818780561

Michelin: 2 Sterne
Gambero Rosso: 3 Forchette

info@donalfonso.com
donalfonso@relaischateaux.com
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Ariane

Donnerstag, 23. Juli 2015

Zartes Fleisch mit knackiger Gemüsefüllung: Involtini al ragù di verdure con couscous



Ein Schmorgericht, das in weniger als einer Stunde auf den Tisch kommt - das wünscht man sich bei den glühenden Temperaturen, die zur Zeit in Rom herrschen. Und in meiner Küche hatte ich zudem 24 Grad gemessen...
Nachdem ich mich aus diesem Grund in den vergangenen Tage hauptsächlich von Salaten mit kalter Putenbrust oder gebratenen Hähnchenbruststreifen, Bresaola (die leichte Mahlzeit schlechthin) oder Roastbeef ernährt hatte, musste mal wieder etwas "Richtiges" auf den Tisch - und ich koche ja nicht nur für mich.
Leichter als Pasta bei hochsommerlicher Hitze ist ein Gericht mit Couscous. Nicht umsonst ist Couscous aus der Küche Siziliens nicht wegzudenken. Dort begleitet er oft Fisch (alla Trapanese) oder auch nur Gemüse.
Wichtig bei diesen Involtini ist quasi die "Carpaccio"-Qualität des Fleisches. So ist es nach nur kurzer Schmorzeit butterweich, die Gemüsefüllung aber immer noch knackig.





Zutaten
(für 2 Personen)

Involtini

ca. 230 g Rindfleisch für Rouladen in hauchdünne Scheiben geschnitten
(man erhält davon ungefähr 10/11 Scheiben)
dieselbe Anzahl in dünne Scheiben geschnittene Coppa stagionata (Schinkenspezialität)
(ersatzweise Pancetta arrotolata [gerollte Pancetta])
2-3 Karotten
2 Stangen Sellerie
3 dünne Zucchini (möglichst die Sorte "Romanesco")
1 große Lauchzwiebel aus Tropea (oder eine Schalotte)
1 Knoblauchzehe
500 g Polpa di Pomodoro (stückige Dosen-Tomaten)
Olivenöl extra vergine
1/2 Tl Zucker
Salz, frisch gemahlener Pfeffer



Die Hälfte des Gemüses in Stifte schneiden, die in etwa der Breite der Rouladen entsprechen, das restliche Gemüse fein würfeln und die Knoblauchzehe halbieren.
Die Fleischscheiben pfeffern, mit je einer Scheibe Coppa belegen, die Gemüsestifte darauf verteilen, aufrollen und fixieren. Salzen und pfeffern.
Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, die Rouladen von allen Seiten gut anbraten, dann aus der Pfanne nehmen und zur Seite stellen. Das gewürfelte Gemüse sowie die Knoblauchzehen-Hälften in der Pfanne anschwitzen, die Polpa di Pomodoro hinzufügen, mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken.
Die Rouladen in den Sugo legen und zugedeckt eine halbe Stunde köcheln lassen.
Vor dem Servieren die Rouladen einmal halbieren und mit dem Sugo auf dem Couscous anrichten.


Couscous

160 g Couscous
2 El Olivenöl extra vergine
200 ml Gemüsebrühe

Couscous in eine Schüssel füllen und das Olivenöl untermischen. Mit der heißen Brühe auffüllen, zehn Minuten ziehen lassen und dann mit zwei Gabeln auflockern.




Die Involtini eignen sich auch für ein schlichtes, italienisches Menu: Der Sugo begleitet die Pasta, die man als Primo serviert, danach serviert man - als Secondo - die Involtini mit einem Salat oder einer Gemüsebeilage.
Ein ähnliches Gericht findet man hier:  Braciole al sugo.



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Ariane

Freitag, 10. Juli 2015

Hier wird sich zwischen den Lorbeeren ausgeruht: Melanzane a beccafico



In Sizilien liebt man die Kombination aus Semmelbröseln, Rosinen und Pinienkernen, jene raffiniert-süßliche Mélange, die typisch für viele Spezialitäten der Insel ist und die in der arabisch-nordafrikanischen Küche ihre Wurzeln hat. Sarde a Beccafico heißt dort ein beliebtes Fischgericht, bei dem die Sardinen mit einer Mischung aus Semmelbröseln, Rosinen, Kräutern und Pinien gefüllt und aufgerollt werden. Für den seltsamen Namen dieses Gerichtes - a Beccafico - gibt es gleich mehrere Erklärungen. Beccafico, so heißt auf italienisch die Gartengrasmücke, ein kleiner Singvogel, der auf den Tafeln des Adels einst als eine Art "Fingerfood" sehr beliebt war. So füllte man oftmals nicht nur Fisch, sondern eben auch diese kleinen Vögelchen mit der Semmelbrösel-Mischung. Sympathischer ist doch gleich eine andere Deutung dieser  ungewöhnlichen Bezeichnung "a beccafico", in der der Name des Vogel selbst steckt (Beccare = picken [becco = Schnabel], fico = Feige.): So gut seien diese gefüllten Sardinenhäppchen, dass die gierigen Esser es den kleinen Singvögel nachmachten, die unablässig ihre Mägen mit Feigen vollstopften. "Uno tira l'atro" ("das eine zieht das andere nach sich"), so sagt man in Italien, wenn man nicht zu naschen aufhören kann. Der "Chipseffekt" sozusagen!
Nicht nur die Fische sind bei dem hier vorgestellten Gericht davongeschwommen, auch die Vögel sind weggeflattert. "Cucina fujuta" (fuggita - "geflohen") nennt man in der neapolitanischen Tradition jene Arme-Leute-Küche, bei denen das teure Fleisch oder der Fisch -  auf den Tafeln der Aristokratie einstmals selbstverständlicher Bestandteil jeder Mahlzeit - weggelassen wurde. So gibt es zum Beispiel Pasta al sugo di pesce fuggito (da ist der Fisch "geflohen"), bei dem der Meeresgeschmack durch das Auskochen von am Strand aufgelesenen (leeren) Muschelschalen und Steinen "imitiert" wird, oder Polpette (Fleischbällchen), die nur aus Brot bestehen. Ragù alla carne fujuta kennt man heute auch außerhalb Italiens als "Gemüsebolo", auch wenn ich diese deutsche Bezeichnung - "Bolo" - ganz schrecklich finde.  In diesem raffinierten kleinen Kunstgriff, sich ein Gericht vorzugaukeln, das man sich eigentlich nicht leisten kann, steckt für mich ganz viel neapolitanische Volksseele - ein Stück Improvisation, aber auch ein Stück Galgenhumor.
Die sizilianische Spezialität Melanzane di beccafico präsentiert sich hier in einer veganen Version. Keine Mozzarella, kein Parmigiano lenken hier von den Aromen ab, wie das so oft bei Gerichten "al forno", also aus dem Ofen, der Fall ist, bei dem eine Käsesorte zum Überbacken verwendet wird. Jeder kennt sicher eines der bekanntesten Gerichte mit Auberginen, die im Ofen mit Mozzarella und Parmigiano gebacken werden, die Parmigiana di Melanzane.
Natürlich kann man auch andere Kräuter in die Füllung schmuggeln; ganz klassisch wird sie mit glatter Petersilie. Aber auch Thymian oder Basilikum und auch ein Hauch von Knoblauch -  warum auch nicht - können die Füllung verfeinern.
Interessant aber fand ich bei dieser Version die üppige Verwendung von frischem Lorbeer, den man allzu oft vergisst, wenn man über die italienische Küche und die viel zitierten "italienischen" Kräuter spricht und damit meist Rosmarin, Basilikum und vor allem das maßlos überschätzte Oregano in Verbindung bringt. Denn Italien ist :

 "...das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht..."





Zutaten
(für 2-3 Personen)

2 längliche Auberginen
100 g Semmelbrösel
2 El Pinienkerne
2 El Sultaninen/Rosinen
1 Zitrone
3 El Olivenöl extra vergine
hoch erhitzbares Pflanzenöl, z.B. Erdnussöl,
 zum Ausbraten der Auberginen
frische Lorbeerblätter
Salz, frisch gemahlener Pfeffer

Rosinen in warmem Wasser einweichen, Pinienkerne in einer beschichteten Pfanne rösten.
Die Auberginen der Länge nach in Scheiben schneiden und diese portionsweise in heißem Pflanzenöl von beiden Seiten anbraten. Die Scheiben bis zur weiteren Verwendung zwischen Lagen von Küchenpapier schichten.
Den Backofen auf 180 Grad (Ober- und Unterhitze) vorheizen.
Die Semmelbrösel mit dem Olivenöl in einer Pfanne hellbraun rösten. Einen Esslöffel davon abnehmen und zur Seite stellen. Den Rest mit dem Saft einer Zitrone, den Pinienkernen und den ausgedrückten Rosinen vermischen. Kräftig mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Auf jede Auberginenscheibe etwas von der Füllung geben, diese dann aufrollen und in eine mit etwas Olivenöl gefettete feuerfeste Form schichten. Mit den restlichen Semmelbröseln bestreuen und zwischen den Auberginenröllen Lorbeerblätter verteilen.
Für 15 Minuten in den vorgeheizten Ofen schieben.
Nicht zu heiß servieren.
Am nächsten Tag haben die kalten Reste sogar noch besser geschmeckt!

Quelle: Sale e pepe, Juni 2015
Goethezitat aus: Wilhem Meisters Lehrjahre, Hamburger Ausgabe Band VII,  C.H. Beck, München, 1982





tierfreitag

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Ariane

Mittwoch, 8. Juli 2015

Hot and cool: Tagliata mit scharfer Salsa "Santa Maria"



Es soll Leute geben, die bei hohen Temperaturen keinen Appetit mehr verspüren, andere stellen das Kochen vollends ein.
Um es gleich zu sagen: ich gehöre weder zu den einen noch zu den anderen! Ich müsste mich nämlich wochen-, wenn nicht monatelang nur von Salaten oder belegten Broten ernähren. Seltsame Vorstellung, auch wenn die um 10 Uhr gemessene Temperatur in meine Küche heute bei 32 Grad lag - trotz geschlossener Fensterläden, die ich vor nunmehr drei Jahren im Hitzemonat August ja schon einmal kurz geöffnet hatte. Barbara, von einem meiner Lieblingsblogs -  Barbaras Spielwiese -, hatte damals einen Event ausgerichtet, an den ich heute noch gerne zurückdenke: Alle, die mitmachten, öffneten ihre Küchenfenster und schauten hinaus. Bei einigen Panoramen, die sich da boten, hätte man echt neidisch werden können.
Ich gebe zu: tagsüber könnte ich bei an die 40 Grad auch keinen Schweinebraten geniessen, aber da es mit dem Abendessen bei uns immer sehr spät wird, stellt sich spätestens nach 21 Uhr doch langsam der kleine Hunger ein.
Sibil, vom Blog Insane in the kitchen, meinte vor ein paar Tagen, dass sie doch einen "an der Klatsche" habe, bei gefühlten 40 Grad Rindsrouladen in den Ofen zu schieben.
Also, das finde ich ganz und gar nicht - oder andersherum gesagt: Dann habe auch ich einen an der Klatsche! Wenn mir danach ist, würde ich Rindsrouladen - ich liebe Rindsrouladen - auch beim Boxenstopp im Death Valley verdrücken; da gibt es allerdings hauptsächlich Tex-Mex-Küche.




Bei dem heutigen Gericht brate ich zwar nur "kurz" und schmore nicht wie Sibil wunderbare Rindsrouladen im Ofen, aber ich serviere zu den beiden Tagliate eine höllisch scharfe Sauce, die so richtig einheizt! Nicht umsonst kennt man eine ähnliche Salsa aus Mexiko, einem Land mit bekanntlich hohen Temperaturen: Salsa Santa Maria. Ob das Anrufen der Mutter Gottes auch Abkühlung bringt? In arabischen Ländern trinkt man heißen Tee und keine kalten Getränke auch bei größter Hitze. Schwitzen tut gut, sagt man gemeinhin, denn durch diesen Prozess regulieren Menschen und auch einige Tiere ihre Körpertemperatur. Die berühmten Büffel von Kampanien, denen wir die wunderbare Mozzarella di Bufala zu verdanken haben, besitzen zum Beispiel keine Schweißdrüsen, und in einigen Büffelfarmen gibt es besondere "Schwimmbäder" für die Tiere, die sie im Sommer ausgiebig nutzen, sonst würden sie sicher den Hitzetod sterben müssen.
Für alle ohne den Luxus eines eigenen Schwimmbads hier nun die ultimative Salsa zum Einheizen und Abkühlen. Und ein Stück wirklich butterzartes Fleisch gibt es auch dazu.




Zutaten
(für 2 Personen)

Fleisch und Marinade

2 ca. 240 g schweren Entrecôtes ("Controfiletto") vom Rind
3 El Olivenöl extra vergine
1 Knoblauchzehe
ein paar Rosmarinzweige
Salz, frisch gemahlener Pfeffer

Rosmarinnadeln von den Zweigen streifen und fein wiegen; man braucht etwa einen Eßlöffel zerkleinerte Nadeln.
Olivenöl, zerdrückte Knoblauchzehe, Salz, Pfeffer und Rosmarin zu einer Marinade verrühren, das Fleisch darin wälzen und für einige Stunden im Kühlschrank ziehen lassen. Rechtzeitig vor dem Braten oder Grillen aus dem Kühlschrank nehmen.
Die Grillpfanne heiß werden lassen und die abgetropften Entrecôtes je Seite 3-4 Minuten kräftig anbraten (nach gewünschtem Gargrad).
Vor dem Anschneiden die Tagliate in Folie gewickelt etwas ruhen lassen.

Salsa "Santa Maria"

2 Tomaten, z.B. San Marzano
1/2 Gurke
100 g Stangensellerie
1/2 rote Paprikaschote
1 Tropea-Zwiebel
1 Chili-Schote
Fleur de sel, frisch gemahlener Pfeffer
2-3 El Olivenöl extra vergine
2 El frisch gepresster Orangensaft
ein paar frische Korianderblätter (ersatzweise glatte Petersilie)
Tabasco
Worcestershire-Sauce

Die Gurke schälen, halbieren und die Kerne herauskratzen, ebenso die Tomaten halbieren und entkernen.
Alle Zutaten fein würfeln und mit dem Olivenöl und dem Orangensaft vermischen. Korianderblätter hacken und zur Salsa geben. Mit Fleur de sel, Pfeffer, Tabasco und Worcestershire-Sauce abschmecken.


Quelle: Marinade nach einer eigenen Idee, Salsa frei nach einem Rezept aus: Sale e pepe, Juni 2015



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Ariane