Montag, 30. September 2019

Christus kam nur bis Eboli - James Bond bis nach Matera. Ein Kurzbesuch der Europäischen Kulturhauptstadt 2019



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Zu gerne hätte ich ja neben Daniel Craig am Frühstückstisch gesessen, aber er war wohl schon schwer beschäftigt. Daniel Craig - James Bond?
Kaum zu glauben, aber in Matera werden gerade einige Szenen für den neuen James Bond gedreht; spektakulär soll es dabei zugehen! All das hatte aber nichts mit unserem spontanen und sehr kurzen Besuch dieses außergewöhnlichen Ortes zu tun.





Mein Aufenthalt in Matera musste sich leider auf einen halben Tag beschränken, da mein Mann dort einen Arbeitstermin hatte, den er leider nicht absagen konnte. Ausgerechnet an diesem Wochenende hatten sich auch liebe Freunde - zudem unsere Trauzeugen - aus Deutschland angesagt. Wir nahmen sie kurzerhand mit auf unsere Reise Richtung Süden und in eine Gegend, die sie noch nicht kannten. Während mein Mann außerhalb des Ortszentrums bei einer Veranstaltung darben musste, machten wir uns auf den Weg quer über die steinigen Pfade der Stadt. So wenig Zeit wir auch hatten, dieser Ort hat mich so gefesselt, dass ich meine  - gewiss oberflächlichen - Eindrücke mit ein paar Fotos wiedergeben möchte.









Orte wie Matera und Umgebung in der süditalienischen Region Basilikata konnte man lange Zeit durchaus zu den "Armenhäuser" Italiens rechnen. In seinem 1945 erschienenen weltberühmten Roman "Christus kam nur bis Eboli" beschreibt Carlo Levi, basierend auf eigenen Erlebnissen, eindrucksvoll das Elend dieser schroffen und unwirtlichen Region, die ehemals Teil von "Lukanien" (heute Basilikata/Apulien) war.







Die Sassi di Matera, wörtlich übersetzt "Steine von Matera" sind die eigentliche Hauptsehenswürdigkeit dieses Ortes. So werden die Höhlenwohnungen bezeichnet, die das Erscheinungsbild des Ortes prägen. Schon in der Steinzeit nutzten die Menschen die Höhlensysteme als Behausungen, und noch bis in die vierziger und fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts hinein teilte sich der arme Teil der Bevölkerung die Höhlenwohnungen sogar mit ihren Nutztieren. Stall und Wohnung zugleich, untragbare  hygienische Zustände - auch darauf machte der Roman von Carlo Levi - und auch dessen Verfilmung 1979 durch Francesco Rosi - aufmerksam. Levi ging sogar soweit, die Sassi mit dem Inferno Dantes zu vergleichen. Unvorstellbar auch, dass im 16. Jahrhundert die Menschen ihre Toten sogar auf den Dächern über ihren Höhlenwohnungen "begruben"; in einer alten Chronik ist es nachzulesen: "Die Toten befinden sich über den Lebenden."¹
Systematisch wurden später die Bewohner der Sassi umgesiedelt in - leider - oft seelenlose Wohnblocks außerhalb des Zentrums.

Seit 1993 sind die Sassi di Matera Weltkulturerbe; 2019 (die Wahl dazu war 2014) wurde der Ort mit der Auszeichnung  "Europäische Kulturhauptstadt 2019 "geadelt".





Es grenzt schon fast an Ironie, dass in jenen primitiven Höhlen, die man als unbewohnbar und ungesund klassifizierte, heute diverse Luxusressorts eingezogen sind. Viele dieser Hotels gehören zu den  sogenannte "Alberghi diffusi". Das Konzept sieht so aus: In einem Haus sind Rezeption und Verwaltung untergebracht, während die Zimmer und Suiten sowie die Restaurants auf verschiedene Höhlen (in anderen Orten Häuser oder Wohnungen) verteilt werden. Gerade in Süditalien hat sich diese Sonderform bewährt; viele Ortschaften erlebten dadurch einen kleinen (touristischen) Aufschwung.







Es war fast ein kleines Abenteuer, in einer dieser Höhlenwohnung zu übernachten. Da wir mitten in der Nacht in Matera angekommen waren, konnte ich die "Höhle"auf Grund der spärlichen Beleuchtung kaum inspizieren; ja ich fand nicht einmal einen Lichtschalter neben dem Bett (keine Leselampe!). Als kalt und klamm empfand ich unsere Bleibe, und man sollte auch möglichst frei von klaustrophobischen Tendenzen sein, wenn man sich für ein solches Hotel in Matera entscheidet. Kein Sonnenlicht weckt den Gast morgens; man muss sich erst bis zur "Haustür" vorarbeiten, um den Tag zu begrüßen. Dafür wird nicht mit Designobjekten gespart. In einer ähnlichen Anlage in den Abruzzen stand in einem bäuerlich ärmlichen Hotelzimmer die Philipp-Starck-Badewanne mitten im Raum. Aber die Haare hätte man sich mit einem Krug waschen müssen... Leider muss ich auch sagen, dass für ältere Menschen oder solche mit Einschränkungen diese Art von Hotel nicht geeignet ist; so muss man in diese Duschbadewanne ohne Haltemöglichkeiten hinabsteigen.




Enttäuscht waren wir leider auch etwas von dem sehr unflexibel bis unwillig agierenden Personal (ist ihnen die aktuelle "Berühmtheit" wohl zu Kopf gestiegen?) an der Rezeption. Wer sich dennoch für einen - sicher unvergesslichen - Aufenthalt in einer Höhle entscheiden möchte, hier die Adresse:

Sant'Angelo-Ressort, Matera
Piazza S. Pietro Caveoso, 75100 Matera
Home


Ob Daniel Craig wohl dort gewohnt hat, während er als James Bond in Matera mal wieder die Welt retten musste? Wie auch immer: wer in den kommenden Monaten nicht nach Matera reisen sollte, kann sich im nächsten James Bond ja einen Eindruck von diesem spektakulären Ort machen. Ich jedenfalls freue mich schon auf dem Film!




¹.Zitat entnommen bei Wikipedia