Samstag, 5. Januar 2013

"Neapel hat tausend Farben..."



"Napule è mille culure", heißt es in einem der bekanntesten Liedern des neapolitanischen Liedermachers Pino Daniele. In neapolitanischem Dialekt - schwer verständlich auch für Italiener aus anderen Regionen - beschreibt Daniele in diesem Lied, das fast so etwas wie eine Hymne der Stadt geworden ist, die ganze Tragik und Zerrissenheit einer Stadt zwischen (mittlerweile meist aufgegebenen) Hoffnungen und Resignation.
Am letzten Wochenende des vergangenen Jahres waren wir mit Freunden in Neapel bei einem Konzert des über die Grenzen der Stadt hinaus bekannten Musikers und Sängers, der in seiner Musik Elemente neapolitanischen Liedguts mit Folk-, Rock- und Jazzmusik verbindet. Mit den ganz Großen der Musikwelt - von Luciano Pavarotti bis Eric Clapton - hat Daniele schon gesungen. An diesem Abend sang ein ganzer Konzertsaal enthusiastisch seine Lieder mit.


Die "tausend Farben" Neapels - wie sehr haben mich auch bei diesem Besuch die Gegensätze dieser Stadt, die eine der schönsten der Welt sein könnte, in ihren Bann gezogen. Über die traurige Realität hatte ich  bereits an anderer Stelle berichtet.
Immer wieder zieht es mich natürlich in das Herz der Stadt rund um die Strasse "Spaccanapoli", die, wie die Bezeichnung schon sagt, Neapel in zwei Teile aufspaltet. Die offiziellen Namen dieser langen Strasse, Via San Biagio dei Librai, nach einem längern Abschnitt heißt sie dann Via Viacaria Vecchia, sind eher ungebräuchlich.


Ich habe versucht, ein paar Impressionen von der Altstadt, die leider auch die weniger schönen Seiten zeigen, an diesem Wochenende einzufangen. Einige Viertel wie die Quartieri Spagnoli oder die Sanità sollte man allerdings meiden; dort würde ich auch keine Fotos machen.




Einen nur kleinen Einblick in die Spanischen Viertel (wo ich noch im Gemüsegeschäft Einkäufe für den Silvesterabend machte) gibt es hier. Allerdings habe ich mich dieses Mal nicht weiter hineingewagt.



Eine kleine Seitengasse von Spaccanapoli ist gerade zur Weihnachtszeit besonders interessant für den Besucher der Stadt. In der Via San Gregorio Armeno werden Krippen und Zubehör verkauft. In Neapel gehört zu Weihnachten nicht der Weihnachtsbaum, sondern nur die - jedes Jahr um neue Figuren oder Raffinessen bereicherte - Krippe. Mittlerweile stellen natürlich auch Neapolitaner (meist falsche) Weihnachtsbäume auf. Doch im Herz von Neapel dreht sich alles um die Krippen, auf ganz neapolitanische Weise gedeutet. Zu den bekannten Figuren, die die Weihnachtsgeschichte erzählen, gesellen sich dann auch Politiker und sonstige Prominenz, die die aktuelle Situation mit viel Humor kommentieren. Dann steht dann auch schon mal Berlusconi zwischen Monti und Padre Pio, einem in Süditalien sehr verehrten Heiligen.




Das Gedränge und Geschiebe in dieser Gasse ist kaum vorstellbar, und noch bis zum Sonntag, wenn  in Italien die Hexe Befana den Kindern nochmals Geschenke bringt, kann man in der Strasse das Spektakel bestaunen und noch letzte Einkäufe für die heimische Krippe tätigen.


Eine neapolitanische Krippe zeigt aber nicht nur die Heilige Familie, sondern auch das ganze pralle Leben, wie es sich seit Jahrhunderten auf den Strassen und Plätzen Neapels abspielt. Szenen aus dem Alltag fließen ein, man sieht Marktstände mit winzigem Gemüse, Händler, Tiere und kleine Brunnen mit fließendem Wasser. Alles ist liebevollst bis in das kleinste Detail ausgearbeitet.








Im Nationalmuseum von San Martino sind die historischen Krippen der Stadt ausgestellt.
Auch in unserem Hotel gab es natürlich eine typisch neapolitanische Krippe.


Neapel hat seine düsteren Viertel, ist aber auch strahlend schön, wie ein Spaziergang am Sonntag Morgen  wieder einmal zeigte.
Von der Hotelterrasse aus hatte man bei blendendem Sonnenschein einen spektakulären Blick auf den Vesuv, auf das Castel Sant'Elmo und das Castel dell'Ovo:





Der Spaziergang führte uns am Königspalast vorbei hin zu der Piazza del Plebiscito, wo sich eines der elegantesten Cafés der Stadt, das Gran Caffè Gambrinus, befindet.






Tipps für Neapel

Gran Caffè Gambrinus
Via Chiaia 1/2
Website: Gran Caffè Gambrinus

Das feinste Kaffeehaus von Neapel mit typisch neapolitanischen Gebäckspezialitäten wie Babà, Sfogliatelle oder Pastiera (Rezept für eine Pastiera Napoletana folgt voraussichtlich zu Ostern!).



La Bersagliera
Borgo Marinari 10/11
(an der Via Partenope)
80132 Neapel
Telefon 0039 0817649596
prenotazioni@labersaglieri.it
Website: La Bersagliera

Hier sitzt man direkt am Yachthafen mit Blick auf das Castel dell'Ovo. Viele Spezialitäten aus dem Meer. Bei schönem Wetter kann man mittags auch im Winter im Freien speisen .




E. Marinella
Riviera di Chiaia, 287
Website: E.Marinella

Die Krawatten von "Marinella" sind in ganz Italien berühmt. In dem winzigen, nur 20 Quadratmeter großen  Verkaufsraum, in dem stets großer Andrang herrscht, hängen aber auch Dankesschreiben von Staatsoberhäuptern aus aller Welt. Bill Clinton hat sogar Krawatten bei "Marinella" nachbestellt, nachdem die italienische Regierung beim Weltwirtschaftsgipfel G7 im Jahr 1994 allen angereisten Regierungschef als Präsent eine Auswahl von Krawatten des Signor Maurizio Marinella überreicht hatte.



Kunst und Kultur

Nicht versäumen sollte man einen Besuch des archäologischen Nationalmuseums, in dem unter anderem die bedeutendsten Fundstücke aus Pompeji und Herculaneum zu sehen sind. Einen Überblick über die neapolitanische Krippenkultur findet man im ehemaligen Kloster von San Martino. Eine umfangreiche Kunstsammlung, die auf die Sammler-Aktivitäten von Alexander Farnese,  des späteren Papstes Paul III., zurückgeht, findet man in dem ehemaligen Königschloss von Capodimonte.
Im Herzen der Stadt liegt eine der faszinierendsten Kapellen Italien, die eng mit der Geschichte eines geheimnisumwitterten Fürsten, dem Prinicipe di Sansevero, verbunden ist: Die Capella Sansevero. Die liegende verschleierte Christus-Skulptur ist eine Meisterwerk der Künstlers Giuseppe Sanmartino, und über ihre Herstellung kursierten die wildesten Gerüchte. So sei ein mit einer geheimnisvollen Tinktur getränkter Schleier über die Skulptur geworfen worden, der dann zu Marmor erstarrte. Das Bildprogramm der Kapelle weist zudem auf freimaurerisches Gedankengut hin.
Neapel hat ein wunderbares Opernhaus, das Teatro San Carlo, das mir persönlich besser als die Scala gefällt. Vor Jahren hatte ich dort Luciano Pavarotti in Verdis "Un Ballo in maschera" sehen dürfen. Für mich ein unvergessliches Erlebnis, das auch viel über die Neapolitaner aussagte. Der Beifall für Pavarotti, so erinnere ich mich, fiel eher verhalten aus. Er hatte wohl an diesem Abend nicht sein bestes gegeben, und da waren die neapolitanischen Zuhörer gnadenlos in ihrem Urteil!

Mozzarella

Auf dem Rückweg nach Rom haben wir noch Mozzarella in der Nähe von Cassino, an der Grenze zwischen Latium und Kampanien, gekauft. In der Gegend findet man fast überall auch in den kleineren Ortschaften Käse-Direktverkauf, vor allem rund um Capua.
Selbst in Rom schmeckt eine Mozzarella nicht mehr so unglaublich gut wie vom Erzeuger selbst.

La Pagliara
Via Ceraselle, 55
Caianello 
Verkauf täglich, 7 bis 21 Uhr
(Autobahnausfahrt Caianello, Direktion Castel di Sangro, nach der Esso-Tankstelle auf der rechten Seite)




Pino Daniele (mit Eric Clapton): Napule é





♥♥♥
Un abbraccio
Ariane


14 Kommentare:

  1. Danke für den tollen Bericht! Jetzt habe ich wieder Fernweh... :-(

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  2. Danke für diese tolle Reportage. Da hatte ich gleich das Gefühl als wäre ich dort gewesen. So ein tolles Foto von der Sfogliatelle habe ich noch nie gesehen. Du hast doch hoffentlich eine gekauft und kannst uns noch erzählen wie sie geschmeckt hat. Ich fühle mich auf jeden Fall sehr inspiriert und muss sie wohl demnächst einmal ausprobieren.

    Liebe Grüße
    Anna

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  3. Liebe Ariane, ein herzliches Dankeschön für diese ausführliche Reportage, sowohl Text als auch Fotos sind grandios. Und zum Schluss die gänsehaut-machende Musik von Pino Daniele... mille grazie!

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  4. Danke fürs Mitnehmen. Nach Neapel möchte ich schon lange mal. Ich war mal vor etwa 20 Jahren dort, um Mitternacht beim Bahnhof auf der Weiterfahrt zu einer Hochzeit in Avellino. Ich hatte den Bus in Rom verpasst und bin mit der Bahn bis Neapel gefahren und hatte dort keinen Plan wie ich weiterkomme. Ein freundlicher Italiener hat mich zum Busbahnhof gefahren. Wenn ich heute daran denke, ein Wunder das ich lebend an der Hochzeit angekommen bin. ;-)))

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  5. Wieder einmal danke für deine Tipps!
    Das Gedränge in den Gässchen und die Krippen habe ich in lebhafter Erinnerung. Wir waren vor rd. 8 Jahren zum Jahreswechsel in der Nähe von Sorrent und natürlich einige Male in Neapel, eine absolut faszinierende Stadt (auch wenn sie leider Schattenseiten hat)!!
    lg
    (mmhhh diese Sfogliatelle...)

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  6. So schöne Fotos! Und der blaue Himmel! Vielen Dank für deinen Bericht. Ich hoffe, es verschlägt mich bald wieder nach Italien, meinem Land der Träume.

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  7. Grosse Klasse! Bei den Politikern musste ich schmunzeln und der blaue Himmel macht eifersüchtig.
    Liebe Grüsse aus Zürich,
    Andy

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  8. Danke für Euren lieben Kommentare!
    @Anna: Kein Neapelbesuch ohne Sfogliatelle, oder wie der Neapolitaner sagt: Schflogliatelle. Leider gibt es nicht mehr die ursprüngliche kleine Bar in Spaccanapoli, wo es die besten von ganz Neapel gab. Sie kamen, noch warmn frisch aus der Backstube und wurden über den Köpfen der Kunden weitergereicht, so voll war das Café stets. Würde mich freuen, wenn Du sie mal backst, ich habe mich bislang noch nicht daran gewagt.
    @Sabine: Die Musik passt doch wirklich wunderbar zu den Bildern, nicht? Ich habe noch so viel mehr Bilder in meinem Kopf, von vielen vorangegangenen Besuchen, und leider herrscht da nicht nur "Sonnenschein".
    @zorra: Es freut mich immer wieder, wenn ich auch Erinnerungen an Reisen in Italien wecken kann. Das sind doch auch Erlebnisse, die vergisst man nie (auch wenn man froh ist, sie irgenwie überlebt zu haben :-) )
    @Friederike: Ich hoffe, meine Tipps sind bei einem zukünftigen Besuch hilfreich (in der Innenstadt aber bitte ohne jeglichen Schmuck, Handtasche, Dokumente etc... leider!)
    @Turbohausfrau: Wie schon Goethe sagte: "Unter reinstem Himmel der unsicherste Boden". Er meine natürlich die vulkanischen Aktivitäten der Gegend (noch immer gibt es täglich kleinere Beben, die allerdings in den meisten Fällen nur die seismographischen Apparate registrieren) Aber dieser Himmel, dieses Meer - diese Farben! Besonders, wenn man aus den düsteren Altstadtgassen wieder auftaucht, ist das, wie in eine andere Welt zu kommen.
    @Andy: Das ist der typisch neapolitanische Humor! :-) Einmalig in Italien!

    Saluti
    Ariane

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  9. Wunderschöne Bilder und der Bericht, lockt richtig endlich mal Italien und Neapel einen Besuch zu machen. Leider war mir das bis her noch nicht gelungen. Jetzt bin ich wieder so angetan, da muss doch mal klappen. Vielen Dank liebe Ariane und viele Grüße Ingrid

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    1. Liebe Ingrid,
      schön, wenn der Bericht Deine Reiselust geweckt hat! Ich drücke Dir die Daumen, dass ein Urlaub in Italien bald für Dich Wirklichkeit wird!
      Saluti
      Ariane

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  10. Hallo Ariane,
    ein sehr aussagekräftiger Bericht über Neapel mit tollen Fotos.
    Nach dem Piemont sollten wir nun wirklich einmal einen ausführlichen Stop in Neapel machen. Bisher gings nur immer direkt auf die Fähre nach Capri. :-)

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    1. Neapel ist auf jeden Fall einen Aufenthalt wert! Nur sollte man wirklich einige Gegenden meiden und gewisse Vorsichtsmaßnahmen treffen. Leider ist das so.
      Saluti
      Ariane

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  11. Danke !

    "Ich verzeih es allen, die in Neapel von Sinnen kommen, und erinnerte mich mit Rührung meines Vaters, der einen unauslöschlichen Eindruck besonders von denen Gegenständen, die ich heut zum erstenmal sah, erhalten hatte. Und wie man sagt, daß einer, dem ein Gespenst erschienen, nicht wieder froh wird, so konnte man umgekehrt von ihm sagen, daß er nie ganz unglücklich werden konnte, weil er sich immer wieder nach Neapel dachte. (...) Im Theater St. Carlo führen sie auf: »Zerstörung von Jerusalem durch Nebukadnezar«. Mir ist es ein großer Guckkasten..." (Italienische Reise)

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