Freitag, 7. November 2014

Auf dem Weg zum "Mangiafagioli" - oder wie die "Fagioli al fiasco" beinahe zum Fiasko wurden



Wenn das so weitergeht, werde auch ich noch zum "Mangiafagioli" - zum "Bohnen(fr)esser", wie man in Italien ein wenig schelmisch die Bewohner der Toskana nennt. Aber selber Schuld: In der Toskana gibt es wirklich kaum eine Trattoria, die keine Bohnen als Beilage auf ihrer Speisekarte führt.
Von mir gibt es nun eine dritte toskanische Spezialität in Folge mit den weißen Cannellini-Bohnen. Ich hatte Euch ja vorgewarnt (und hoffentlich auch neugierig gemacht). Nach der Ribollita und dem Aufstrich für die Crostini con crema di cannellini folgt nun das in der Zubereitung wohl ungewöhnlichste Rezept, denn die Bohnen werden auf ganz besondere Art und Weise gekocht.
Die Zubereitung dieser typischen Beilage aus der Toskana - den Fagioli al fiasco - verlangt dem Koch oder der Köchin etwas Geduld ab. Es dauert schon einige Stunden, bis man das Bohnengericht zu Tisch bringen kann. Früher nutze man eine ganze, lange Nacht, denn die bauchige Flasche, nach der dieses Gericht benannt ist, wurde einfach in die Glut des noch warmen Ofens gestellt, in dem man das Brot gebacken hatte. So konnten die Bohnen über Nacht langsam schmoren.
Auch heute verlangt die Zubereitung einige Stunden; leider nur steht mir keine offene Feuerstelle zur Verfügung, und so wurden die Bohnen ersatzweise im Wasserbad weichgekocht.
Ich musste mir erst einmal eine passende Flasche besorgen, um die Bohnen nach den traditionellen Rezepten zuzubereiten. In Rom scheinen jedoch viele das Gericht nicht zu kennen, und auch die betagte Ladenbesitzerin des kleinen Geschäfts "um die Ecke", die von Kochtöpfen, Wäscheklammern, Müllsäcken und Plastikwannen bis hin zu gläsernen Joghurtbechern, die sie wohl vorher ausgelöffelt, gesäubert und wieder zum Verkauf anbietet, so alles führt, was man eben so im Haushalt brauchen kann, schüttelte nur den Kopf.


Tante-Emma-Laden für Haushaltswaren auf römisch

Von diesem Gericht und auch dessen Zubereitung hatte sie jedenfalls noch nie gehört. Ich bin dann bis zum römischen Ghetto gelaufen, wo ich schließlich in einem ebenfalls sehr abenteuerlichen Geschäft, angesiedelt zwischen Drogeriemarkt und Haushaltswaren, eine bauchige Flasche erstand  - der ein trauriges Schicksal bevorstand.
Die Zubereitung der Bohnen endete beinahe in in einem kleinen - Fiasko, ja richtig: Fiasko (davon später mehr)! Das Wort, das wir heute für Missgeschicke benutzen, leitet sich tatsächlich von der Bezeichnung für die bauchigen Chianti-Flaschen ab! 
Ich war also kurz davor, eine jener Flaschen mit Chianti-Wein zu kaufen, die man heute hauptsächlich den Touristen andreht. Leider hat dieser Fusel in den zurückliegenden Jahren den berühmtesten Wein der Toskana aufs Vortrefflichste in Verruf gebracht. 
Ursprünglich wurden in der Toskana die bauchigen Flaschen, nachdem der Wein getrunken war, für die Zubereitung dieses Bohnengerichts weiterverwendet. Dafür musste auf jeden Fall vorher der Bast entfernt werden, der sonst in der Glut Feuer gefangen hätte. Der Bast diente einst dem Schutz des Glases. 
Mir blieb der Kauf einer solchen Flasche - und deren Inhalt - glücklicherweise erspart. Als Fiaschetterie bezeichnen sich übrigens noch heute einige Läden der Toskana, in denen man Wein probieren und auch kaufen kann.
Mein Fläschchen war zwar nicht sehr groß, reichte aber aus, um 200 Gramm der getrockneten Cannellini-Bohnen darin zuzubereiten. Auf jeden Fall sollte die Öffnung weit genug sein, um die gekochten Bohnen wieder herauszulassen; mit einer normalen Weinflasche klappt das nämlich nicht.
Selten war ich auf das Ergebnis so gespannt!




Zutaten
(für zwei Personen)

200 g getrocknete Cannellini-Bohnen
1 Knoblauchzehe
3-4 Salbeiblätter
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Olivenöl extra vergine

1 bauchige Flasche von ca. 1 L Inhalt
etwas Watte

Die Bohnen in ein Sieb geben und abbrausen. In eine Schüssel füllen, mit Wasser bedecken und zwölf Stunden einweichen. Danach abgießen und nochmals abbrausen.
Nun werden die Bohnen in die bauchige Flasche gefüllt, Salbeiblätter, die angedrückte Knoblauchzehe, drei Esslöffel Olivenöl und frisch gemahlener Pfeffer kommen dazu. Sogar etwas Salz, eine Zutat, die eigentlich beim Weichkochen von Hülsenfrüchte tabu ist, aber so hatte ich es in allen Rezepten gelesen. Etwas Wasser angießen, damit die Bohnen ein paar Zentimeter hoch bedeckt sind.
Nun wird die Flasche mit Watte verschlossen und in einen mit Wasser gefüllten und gegen das Klappern mit einem Küchentuch ausgelegten Topf gestellt.



Das Wasser wird zum Kochen gebracht und muss dann fünf Stunden köchelnd gehalten werden. Ab und an muss man etwas Wasser in den Topf nachgießen (nicht in die Flasche!!) - und da passierte gut eine Stunde vor dem Ende der Kochzeit das kleine Missgeschick, das beinahe in dem sprichwörtlichen Fiasko geendet hätte: Zu kühles Wasser spritze auf die heiße Flasche, und sie sprang mit einem kleinen "Knacks". Ich bibberte dem Ende entgegen, aber tapfer hielt meine kleine Flasche mit dem Riss im Glas durch, brach nicht vollständig auseinander und bewahrte somit ihren Inhalt, auch wenn ich sie danach leider wegwerfen musste.
Nach fünf Stunden war der große Augenblick gekommen. Ich ließ die Flasche eine Zeit lange im Wasser auskühlen, kippte dann ihren Inhalt in eine Schüssel, was ungefähr dieselbe zurückhaltend-energische Kraft erforderte, mit der man auch mit einer Ketchup-Flasche hantiert. Die gesprungene Flasche hielt auch hier tapfer durch!
Die Bohnen nun nochmal mit Salz und Pfeffer abschmecken und mit etwas Olivenöl begießen. Fleischliebhaber müssen sich jetzt eine Bistecca alla Fiorentina dazudenken. Dann fühlt man sich wie in einer toskanischen Trattoria!



tierfreitag

♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

12 Kommentare:

  1. wenigstens hattest du keine Glasscherben im Essen!
    auf dem letzten Foto sehen die Bohnen besonders verlockend aus,
    lg

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    1. Da habe ich auch gezittert, dass das nicht noch passiert!
      Aber ist alles gutgegangen :-)
      Saluti
      Ariane

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  2. da war der Name des Rezeptes ja Programm...
    sieht sehr gut aus und ist eine interessante Zubereitungsart

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    1. Solche etymologischen Exkurse finde ich auch immer wieder spannend. Wie oft benutzen wir das Wort Fiasko, und wissen eigentlich nicht, dass es auf diese bauchige Chianti-Flasche zurückgeht.
      Saluti
      Ariane

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  3. Das ist aber eine recht aufwändige und mühsame Art der Zubereitung. Ist es denn der Geschmack der Bohnen dann auch wert?

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    1. Man muss diese Art Bohnen schon mögen. Für mich war es vor allem ein spannendes Experiment. Ich möchte ja auf meinem Blog die unverfälschte und originale Küche der verschiedenen Regionen Italiens zeigen, wie man sie vielleicht auch nicht so kennt. Sehr gut schmecken mir die Bohnen, wenn man sie einfach erst einmal weichkocht und anschließend in etwas Olivenöl in einer Pfanne mit einer kleinen gehackten Schalotte, etwas Knoblauch und Salbei ein paar Minuten schmoren lässt.
      Saluti
      Ariane

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  4. Bei Deinen Andeutungen vermutete ich schon, dass Du Dich evtl. an Fagioli al fiasco heranwagen würdest. Complimenti, das Fiasko mit dem Fiasco hast Du mit Bravour gemeistert!!! Sollte ich es schaffen, hier bei uns solch eine bauchige Flasche aufzutreiben, werde ich Dein Rezept ausprobieren, denn geliebäugelt habe ich schon oft mit dieser Zubereitungsart - und auf jeden Fall würde ich mit heißem Wasser nachfüllen... Danke für die wie immer wunderschönen Fotos - besonders das vom Tante-Emma-Laden mit der Ape davor! Un bacione da Elvira

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    1. Ich musste schmunzeln, dass Du es gleich erraten hattest! :-)
      Ja, der kleine Tante-Emma-Laden ist leider von der aussterbenden Art, aber ab und an wirklich nützlich.
      Saluti
      Ariane

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  5. Ich bin eben auf Deinen zauberhaften Blog gestossen.Es gefällt mir sehr gut hier und ich wrde nun sicher öfter vorbei schauen!
    Viele liebe Grüße aus dem Ruhrgebiet

    Sarah
    hotpott.bolgspot.de

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    1. Dann sei herzlich willkommen, liebe Sarah! :-) Ich hoffe, Du findest einige interessante Geschichten und Rezepte!
      Saluti
      Ariane

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  6. Ein delikates Gericht. Ich gebe zu den weißen Bohnen noch etwas Chili und gare sie im Backofen bei 100 °C etwa 4 Stunden. Diese Prozedur hat meine "fiasco" einige Male überlebt. Allerdings sind weiße Bohnen nicht allzu häufig auf unserem Speiseplan, da nur ich sie mag und mein ab und an vorbeikommender Sohn.

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    1. Danke für den Tipp mit dem Backofen! Ehrlich gesagt, dachte ich auch immer, so könnte man das mit der Flasche am besten handhaben, las aber dann vom Wasserbad. Aber beim nächsten Mal würde ich die Bohnen auch im Ofen garen.Und Chili wäre ganz nach meinem Geschmack dazu! Sie vertragen schon etwas Würze.
      Saluti
      Ariane

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