Freitag, 12. Mai 2017

Ein Stück Apulien auf dem Teller: Fave e cicoria



Während mein Mann heute in Bari beim G-7-Treffen wohl kaum den kulinarischen Genüssen dieser Region huldigen wird, hole ich mir Apulien auf den Teller. Mit seinem - man könnte fast sagen - Nationalgericht: Purea di Fave e cicoria. Eine typische Spezialität der bäuerlichen Küche dieser spannenden Region. Und ein würdiger Vertreter der sogenannten Cucina povera - der "Arme-Leute-Küche" von einst.
Ich hege ja eine heiße Liebe für cremige Pürees: Hummus al Tahini, Guacamole oder griechische Fava-Beans - (Fáva - Φάβα) - das alles gehört für mich zur Kategorie "Ich könnt' mich 'reinsetzen!"
Apropos Fava-Beans: Auch wenn sich die Bezeichnungen gleichen, bei den Hülsenfrüchten für die griechische Spezialität handelt es sich um Platterbsen, bei dem apulischen Gericht sind es Saubohnen/Dicke Bohnen.
Interessant finde ich immer wieder die kulinarischen Gemeinsamkeiten; nicht nur hier bei dieser Vorspeise, sondern auch etwa bei den griechischen Dakos, einer Spezialität aus Kreta, die fast identisch sind mit den Friselle, wie man sie in Apulien kennt. Man könnte meinen, zwischen Apulien und Griechenland gebe es mehr kulinarische Gemeinsamkeiten als zwischen Sizilien und Griechenland, auch wenn ja hauptsächlich Sizilien der Magna Graecia zugerechnet wird; letztlich war das Gebiet aber viel größer und schloss auch Kampanien, Kalabrien und Apulien mit ein. In Sizilien prägen zudem nordafrikanische und überhaupt arabische Einflüsse die typischen Gerichte; ein Umstand, der diese Küche so überaus spannend macht.
Die Ursprünge von Fave e cicoria lassen sich wie so oft auch mit ein bisschen etymologischer Spurensuche ergründen. 'Ncapriata pugliese, so lautet die Dialektbezeichnung für dieses Gericht, in der das lateinische Wort caporidia steckt, das wiederum griechische Wurzeln hat: kapyridia. Damit bezeichnete man in der Antike ein Gericht aus zerstoßenem Getreide.  Und auch Sizilien redet da wieder ein Wörtchen mit: Macco - oder auch Maccu -, das sizilianische Bohnenpüree, soll sogar ägyptische Wurzeln haben. Der Ausdruck geht zurück auf die Wörter ammaccate e schiacciate, womit das "Zerdrücken" der Saubohnen gemeint ist.
Während ich das hier aufschreibe und Euch mit trockenem "Lehrstoff" füttere, köcheln meine Saubohnen vor sich hin und verströmen verlockende Gerüche.
Dazu gibt es Gemüse - Wegwarte ist wohl die deutsche Bezeichnung für das Zichoriengewächs. Es ist die perfekte, leicht bittere Ergänzung für das sämige Püree.




Zutaten
(für 2 Personen)


  • 200 g getrocknete und geschälte Saubohnen (fave secche e decorticate)
  • 50 g Karotten
  • 50 g Stangensellerie
  • 1 kleine Zwiebel
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Lorbeerblatt
  • Salz, frisch gemahlener Pfeffer
  • Olivenöl extra vergine


Die getrockneten Saubohnen in einem Sieb abspülen, dann über Nacht oder mindestens 12 Stunden in kaltem Wasser einweichen. Danach wieder in ein Sieb abgießen. Zusammen mit der in kleine Würfel geschnittenen Karotte und dem ebenfalls gewürfelten Sellerie, der Zwiebel, der Knoblauchzehe, dem Lorbeerblatt und etwas Olivenöl in einen Topf geben, mit Wasser bedecken und zum Kochen bringen. Zugedeckt ungefähr zwei Stunden köcheln lassen, dabei immer wieder kontrollieren, ob die Bohnen mit Wasser bedeckt bleiben. Gegen Ende der Kochzeit zerfallen sie langsam, dann das Lorbeerblatt entfernen und mit dem Zauberstab pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.





  • 300 g Wegwarte (Zichorie)
  • 1 Knoblauchzehe
  • Peperoncino (getrocknet oder eine frische Chilischote, fein gehackt)
  • Salz
  • Olivenöl extra vergine


Das Gemüse putzen und gründlich waschen. In Salzwasser drei Minuten blanchieren, dann abgießen. In einer Pfanne die angedrückte Knoblauchzehe in Olivenöl anschwitzen, dann die blanchierte Wegwarte hinzugeben und wenige Minuten in der Pfanne heiß werden lassen. Mit Salz und Peperoncino abschmecken.

Das Püree und das Gemüse nebeneinander auf die Teller geben und mit etwas Olivenöl begießen.





♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

9 Kommentare:

  1. Hi Ariane,
    ich bin auch ein großer Fan von Pürees. Hummus geht wirklich immer, auch pur. ;) Wegwarte habe ich allerdings noch nie gehört oder irgendwo gesehen. Ich werde mal genauer schauen, wenn ich das nächste Mal auf dem Markt bin.
    LG Melli

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Melli,
      ich habe immer eine Dose Kichererbsen und ein Glas Tahin zu Hause, denn oft überkommt mich die Lust auf Hummus. ;-)
      Ich könnte mir hier auch anderes Gemüse dazu vorstellen, aber vielleicht hast Du ja Glück bei der Suche. Es wächst auch in Mitteleuropa.

      Saluti
      Ariane

      Löschen
    2. Kichererbsen habe ich auch immer einen großzügigen Vorrat zu Hause. ;-)

      Löschen
  2. Diese gekochten Muse und Pürees fange ich langsam erst an zu erforschen. Hummus, klar, kenne ich schon ewig, aber was es daneben noch gibt, ist vielfältiger als ich erwartet habe. Entscheidend ist echt das passende Pendant dazu, da gefällt mir das bittergrüne auf Deinem Teller gut.

    Und nach Apulien reise ich in Gedanken mit Dir mit! Wir waren nur mal einen Tag dort, neben Castel del Monte (das ich mir viel größer vorgestellt hätte) eine Weinprobe und die Möglichkeit, einige lokale Gemüse und Genüsse zu testen. Eine schöne Gegend, die sicher mal eine längere Reise wert ist!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich noch nie Castel del Monte besichtigt habe! In Apulien war ich vor vielen Jahren - im September -, und leider war da die Urlaubs-Saison zu Ende. Ein leeres Hotel mit eingeschränktem Service (wir waren neben einem anderen Paar die einzigen Gäste), in Alberobello ein ungeheizter und eiskalter Trullo; leider waren meine ersten Erfahrungen nicht die besten. Es war richtig traurig, nicht, dass wir den Augusttrubel brauchten, aber Du konntest richtig depressiv werden. Trotzdem, es ist eine faszinierende Region, Lecce in wunderschön (der "weiße" Barock dort), die Strände - wir müssen einfach Apulien noch einmal eine Chance geben!
      Die Masserie, ehemalige befestigte Landgüter, die heute als Agriturismi ausgebaut sind, sollen wunderbar sein - leider zum Teil auch unbezahlbar.

      Saluti
      Ariane

      Löschen
  3. Danke für die kleine historisch-kulinarisch-sprachgeschichtliche Einführung zum Thema.
    Und ja, Apulien, das ich noch nicht kenne, würde ich sehr gerne einmal besuchen; und die Köstlichkeiten würde ich am liebsten auf der Stelle verschmausen...

    Viele liebe Grüße
    Elena

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Mal sehen, wann ich mal wieder in diese Region komme. Dann werde ich berichten! :-)

      Saluti
      Ariane

      Löschen
  4. Fave e cicora.... gabs bei meiner apulischen Schwiegermutter gefühlte 2 -3x die Woche zu essen, die Familie stöhnte, ich hingegen freute mich, weil ich die Fave zum großen Erstaunen sämtlicher Familienmitglieder gern mochte! Noch lieber allerdings mit Friggitelli!!! Meine Schwiegermutter machte auch die Orecchiette noch selber, wozu sie morgens so gegen 5 Uhr aufstand, denn die Familie war groß, und am Wochenende und an Feiertagen kamen schon mal 30 Leute zusammen oder noch mehr... Vielen Dank für dieses Rezept und die damit verbundenen Erinnerungen an eine längst vergangene Welt Anfang der 80er Jahre im tiefen Süden! Salutoni da ASTRID

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das sind sicher großartige Erinnerungen, liebe Astrid! Ich bin direkt (in meiner Phantasie) dabei, wie die Pasta gemacht wurde.

      Saluti
      Ariane

      Löschen

Danke für Deinen Besuch!
Über liebe Worte freue ich mich, aber auch über konstruktive Kritik. Anonyme oder beleidigende Kommentare sowie Werbelinks werden entfernt.