Freitag, 18. Mai 2012

Spaghettitesten macht hungrig ... auf "Amatriciana"!

Was für eine ernste Angelegenheit Spaghettitesten ist, habe ich heute in Rom erlebt. Als Beobachter war ich von dem größten italienischen Pastahersteller zu einem Verbrauchertest eingeladen worden. In einem Hotel unweit der berühmten Via Veneto, Schauplatz der "Dolce Vita" in den sechziger Jahren, sollten zehn Frauen zwischen 25 und 55 Jahren - nicht voll beruftstätig, aber auch keine Hausfrauen, darüber hinaus aus Rom stammend - Spaghetti testen. Keine der Frauen wußte im Gegensatz zu den wenigen anwesenden Journalisten, welcher Hersteller diese "Spaghetti-Probe" ausgerichtet hat. Der will gerade in allen Ecken Italiens erfahren, wie die Italiener seine Nudeln und die der Konkurrenz erschmecken.


Wie auf Schulbänkchen saßen da also die geladenen Signore, zum Schweigen verpflichtet und mit ausgeschaltetem Handy. Alles, was mit Essen zu tun hat, ist in Italien eben eine heilige Handlung! Es war teilweise so still, dass man einen zu Boden gefallenen Spaghetto hätte hören können...





Weißbeschürzte und mit weißen Häubchen und Einweghandschuhen ausgestattete Frauen  verteilten mit dem nötigen Ernst zunächst die zu kleinen Bündeln zusammengefaßten Spaghetti, später kleine Tellerchen mit der gekochten Pasta. Diese wurde, nur mit etwas Olivenöl vermischt, den Testerinnen zum Probieren gereicht.


In den folgenden eineinhalb Stunden hieß das Motto: Schnuppern, Tasten und Schmecken was das Zeug hält!  Keine der Frauen wußte, dass jede Teilnehmerin in jedem Testgang dasselbe Produkt probieren durfte, ja es wurde bewußt  Verwirrung gestiftet, als "aus Versehen" die nummerierten Teller wieder weggenommen und woanders hingestellt wurden. Somit mußten die Testerinnen davon ausgehen, dass es sich um unterschiedliche Spaghetti für jede der Teilnehmerinnen handele.



Auf keinen Fall durften sie während des Test miteinander kommunizieren. Sonst wäre zu befürchten, dass einzelne Stimmführer all die anderen beeinflussen. Während des Tests mußten die Teilnehmerinnen dann mehrere Fragebögen ausfüllen.


Ich selbst drehte im Nebenraum ebenfalls meine Gabel durch einige Teller. Interessant wurde es dann noch einmal zum Schluss im Gespräch mit einer Geschmackstesterin: Eine sympathische Frau um die Vierzig erzählte mir von ihren Essgewohnheiten. Mindestens dreimal die Woche käme Pasta auf den Tisch; in einer eher einfachen Variante als Vorspeise, manchmal aber auch als "Piatto unico" - als einziger, vollwertiger Gang -, dann aber etwas aufwendiger zubereitet. Zwar paßte die Frage nicht ganz zum Thema, aber ich konnte es mir doch nicht verkneifen, von ihr zu erfahren, ob sie denn auch selbst manchmal Pasta herstelle. "Oh nein", meinte sie mit einem eher verlegenen Lächeln, "das macht noch manchmal die "Mamma!" Sie selbst hätte es noch nie ausprobiert, aber sicher sei es ganz "divertente" - ganz unterhaltsam -, es einmal zu versuchen...




Die wenigen Gabelumdrehungen, die ich mir beim Testen zugestand, weckten erst recht die Lust auf mehr. Deswegen gab es am Abend Pasta satt!
Aus dem Städtchen Amatrice kommt eines der wohl bekanntesten Pastagerichte der Region Latium: Spaghetti all' Amatriciana oder, wie die Einwohner des Städtchen sagen, "alla Matriciana", denn sie nennen sich selbst "Matriciani". Als "Pasta alla Gricia", nur mit Speck und Käse, war es einst die Hauptmahlzeit der vielen Hirten in dieser an die Abruzzen grenzenden Region, die in ihren Rucksäcken nur etwas Guanciale (Schweinespeck aus der Wange), Säckchen mit schwarzem Pfeffer, Pecorinokäse und getrocknete Pasta mit sich führten.




Einige kulinarische Freiheiten habe ich mir erlaubt. So nehme ich - ganz wie dieses Gericht in Rom traditionell auf den Tisch kommt - Bucatini anstelle der Spaghetti. Den Guanciale habe ich gegen Pancetta ausgetauscht (Puristen sagen, dieser sei für das Gericht zu kräftig im Geschmack), denn er war mir etwas zu fett, nehme Pecorino Romano  anstelle des Pecorino aus Amatrice (auch dieser, so sagen die Experten, sei ungeeignet, da zu pikant), lasse das Schweineschmalz weg (jährlich bekommen die Signore um diese Jahreszeit Panik vor der "Prova del Bikini [Bikinianprobe]) und nehme statt dessen Olivenöl (verfälscht den Geschmack, sagen die "Matriciani") - und: ich füge eine in Streifen geschnittene Zwiebel hinzu. Zwiebel - ein weiterer Fauxpas, den wir "Römer" da begehen...

Zutaten (für zwei hungrige Personen)

  • 150 g Pancetta (in nicht zu dünnen Scheiben)
  • 1 Zwiebel
  • 400 g Pelati (geschälte Tomaten in der Dose)
  • Salz, frisch gemahlener schwarzer Pfeffer
  • etwas Peperoncino
  • 250 g Bucatini
  • Pecorino Romano

Die Pancetta in Streifen (nicht in Würfel) schneiden und in einer Pfanne in etwas Olivenöl ausbraten, dann die in Streifen geschnittene Zwiebel hinzufügen und etwas mit anbraten, ohne dass sie zu braun wird. Die Pelati in die Pfanne geben, etwas Peperoncino sowie Salz (in Maßen, denn die Pancetta ist salzig) hinzufügen und 20 Minuten köcheln lassen. Mit schwarzem Pfeffer abschmecken.
Die Bucatini eine Minute kürzer als auf der Packung angegeben kochen, abgiessen und zu dem Sugo in die Pfanne geben und alles gut miteinander vermischen. Großzügig mit frisch geriebenem Pecorino bestreuen. Ein schönes, schnelles Freitagsessen und Beitrag für Tobias' Kochbasar am Wochenende.

Zum Schluß noch eine kleine Szene aus einem italienischen Spielfilm mit dem beliebten, 2003 verstorbenen Schauspieler Alberto Sordi. Nando liebt die amerikanische Lebensweise, kapituliert aber angesichts eines Tellers Pasta. Mit dem Ausruf: "Macaroni io ve distruggo!" (wörtl.:Makkaroni, ich zerstöre euch) macht er sich schließlich über den Teller her.



♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

6 Kommentare:

  1. Anstelle Test-Essen komme ich lieber zu Dir Deine Pasta essen ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. :-)) Sag mir, wann ich das Nudelwasser aufsetzen soll! :-))

      Löschen
  2. Ich komme auch!! Grimmel

    AntwortenLöschen
  3. Dieser Test ist ja abstrus... allein die Plastiktellerchen und die Ernsthaftigkeit; da wäre mir wahrscheinlich der Appetit vergangen. Wie schnitt denn der Ausrichter, dieser größte Pastaproduzent ab? Interessant auch, dass nur Mamma noch Pasta macht... Überall auf der Welt gleich (eine junge Ex-Kollegin aus Bangkok meinte auch, ihre Oma mache Currypaste noch selber).

    Wenn ich beamen könnte, könntest Du noch einen größeren Nudeltopf nehmen! :-)

    Nach Rom reicht's dieses Jahr glaube ich nicht... Wir waren letzten Herbst für ein paar Tage dort (und 2008 und 2009). Wobei, Deine Pasta... ;-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Leider war alles streng geheim :-)) Ergebnisse wurden nicht mitgeteilt. Wobei die testenden Signore nicht einmal wußten, wer den Test aurichtete (ich war zum Stillschweigen verdonnert, hatte einen kleinen Wissensvorsprung).
      ... ich kauf dann schon mal einen noch größeren Nudeltopf...

      Löschen

Danke für Deinen Besuch!
Über liebe Worte freue ich mich, aber auch über konstruktive Kritik. Anonyme oder beleidigende Kommentare sowie Werbelinks werden entfernt.