Freitag, 28. September 2018

Plädoyer für dünne Schnitzel: Scaloppine all'arancia con finocchio brasato



Zwei Moderatoren eines in Italien beliebten Radiosenders haben sich kürzlich während ihrer Sendung aufs Köstlichste amüsiert! Gelästert wurde über die kulinarischen Fehltritte und Vorlieben der achtziger Jahre. An erster Stelle in der Aufzählung des Grauens: Tortellini mit Schinken, Erbsen und Sahne (scheint es in Deutschland dagegen immer noch auf den Speisekarten des "Italieners um die Ecke" zu geben). Weiter ging es mit Fruchtspießen, mit den mit Schinken umwickelten Grissini und dem damals nicht nur in Italien so beliebten Krabbencocktail! Ich musste schmunzeln. Tatsächlich - ob Silvestergala, Ärzteball oder auch private Party - der Krabbencocktail im Glasschälchen war allgegenwärtig auf den gestärkten weißen Tischdecken der Siebziger und Achtziger zu finden, hielt man ihn doch für den Gipfel exklusiver Kochkunst - mit einem Touch Exotik gleich dazu! Da wurde ein zusammengematschter Salat mit Krabben und undefinierbarer rosa (Cocktail-)Sauce - und was sonst noch drin war, weiß ich nicht, da wir alle in der Familie kein Meeresgetier mochten - gleich zum "Cocktail" hochstilisiert!
Vitello tonnato scheint, glaubt man den beiden Lästerern, auch seine besten Zeiten in den Achtzigern gefeiert zu haben. Da es dieses Gericht auf meinem Blog allerdings niemals geben wird, an dieser Stelle ein:

Kleiner Exkurs zu dem Kalbfleischklassiker aus dem Piemont

Diese Vorspeise, die in Italien meist unter der piemontesischen Dialektbezeichnung Vitel tonné angeboten wird, ist allerdings immer noch sehr beliebt. Was viele vielleicht nicht wissen: Das "tonnato" (von Tonno - Thunfisch) bezieht sich weniger auf die Sauce aus Thunfisch, Sardellen und Kapern, sondern auf das Fleisch selbst. Etymologisch gesehen kommt "Tonné" aus dem französischen Wort für "gegerbt" - tanné -, denn die Ursprünge dieses Gerichts lassen sich bis auf das 18. Jahrhundert zurückverfolgen, in dem sich in der Gegend um Cuneo die französische und italienische Sprache vermischten. In feinen Kreisen bevorzugte man zu dieser Zeit die französische Sprache; dabei waren beide Sprache gleichsam Amtssprachen. (Übrigens erkenne ich einen Piemonteser immer gleich an der nasalen Aussprache.) Mit der französisch angehauchten Bezeichnung für dieses Gericht - wobei Kalbfleisch korrekterweise dann allerdings "veau" heißen müsste - wollte man ihm einen gewissen adeligen Touch geben. Das kann durchaus auch ironisch gemeint worden sein, denn man verwendete auch Fleischreste dafür. Profaner dagegen ist die Erklärung, dass das Kalbfleisch - in Wasser und Wein gekocht -, am Ende so mürbe und zart wie Thunfisch war. Übrigens wird Vitel tonné dagegen in der Lombardei auch oft warm genossen; dort aber ursprünglich an Feiertagen wie dem Ferragosto ebenfalls kalt.
Das war's dazu, Ihr Lieben. Rezepte zu Vitel tonné müsst Ihr leider an anderer Stelle suchen. Dafür gibt es hier nun eine andere Spezialität aus Kalbfleisch:





Die zarten Scaloppine

Gar nichts mit Fisch hat ein weiteres Gericht zu tun, das ich bei frühen Italienurlauben kennengelernt habe und das auch ein wenig aus der Mode gekommen zu sein scheint, den Scaloppine. Die hat sogar mein in der Regel Fleisch verweigernder Vater irgendwie herunterbekommen - mit viel Pfeffer bestreut! Und da auch ich grobe Fleischstücke nicht unbedingt mag - sehr zum Unmut meines Mannes, der sich öfters mit mir mal eine ordentliche Fiorentina teilen möchte -, kommen mir solche dünnen Kalbschnitzelchen gerade recht.
Das wirkliche Wunderbare an den Scaloppine ist, dass sie:

1. blitzschnell zubereitet sind, wenn einmal die Zeit fehlt
und
2. dass man sie in der Pfanne mit anderen Zutaten kombinieren kann und auch keine aufwändige Beilage brauchen.

Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich geschmorten Fenchel liebe? Da brauche ich eigentlich gar kein Fleisch dazu. Und solcher Fenchel liebt die fruchtige Säure von Orangen; man denke da nur an die sizilianische Insalata di finocchi e arance. Die Schnitzelchen lieben Zitrusfrüche übrigens auch. Scaloppine baden genüsslich gerne während ihrer kurzen Zeit in der Pfanne - ob in Wein wie bei der Saltimbocca oder auch in etwas Zitronensaft oder einem kräftigen Sugo (siehe Rezepte am Schluss).
Dazu reicht ein Stück gutes Brot. Zu Hause darf man damit auch die "Scarpetta" machen (das Brot zusammendrücken und damit - so wie ein "Schühchen" über den Boden - über den Teller gleiten, um die Saucenreste aufzutunken)!






Zutaten
(für 2 Personen)


  • 6 dünne Kalbschnitzelchen (z. B. aus der Lende)
  • 500 g Fenchel
  • 3 Orangen
  • 50 g Oliven (in Öl eingelegte, einsteint, z. B. Taggiasche)
  • 75 ml Cointreau
  • Butter
  • Olivenöl
  • Salz, frisch gemahlener Pfeffer



Die Kalbschnitzelchen behutsam mit dem Fleischklopfer noch etwas dünner plätten.
Den Fenchel putzen, dabei das Fenchelgrün aufheben. Den Fenchel halbieren (größere Fenchelknollen vierteln) und den Strunk herausschneiden.
Eine Orange filetieren, den Saft aufheben. Die beiden anderen Orangen auspressen und den aufgefangenen Saft dazugießen.

In einer Pfanne ein wenig Butter und Olivenöl erhitzen und die Schnitzelchen von beiden Seiten scharf anbraten. Salzen und pfeffern. Dann aus der Pfanne nehmen und warmstellen.
Die Fenchelhälften kurz in in dem Bratfett von allen Seiten anbraten, dann mit dem Cointreau ablöschen und diesen etwas einkochen lassen.
Den Orangensaft hinzufügen und den Fenchel zugedeckt zehn Minuten schmoren lassen; die Flüssigkeit sollte sich dabei reduzieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

Nach dieser Zeit die Kalbschnitzelchen mit den Oliven und den Orangenfilets zu dem Fenchel in die Pfanne geben und nochmals erhitzen.
Mit dem Fenchelgrün bestreuen.





Weitere Gerichte im Blog mit den dünnen Kalbschnitzelchen, die man in Italien Scaloppine nennt:

Scaloppine al limone
Scaloppine alla pizzaiola



Dienstag, 25. September 2018

Handliche Energiespender: Mini Plum Cakes mit Feigen und Walnüssen



Die berühmte Stiefelform Italiens macht Reisen innerhalb des Landes nicht gerade zu Kurztrips. Man reist gewöhnlich von Norden nach Süden und umgekehrt - und die Ausmaße dieses Landes zeigen sich in ihrer ganzen langgezogenen Pracht. Dagegen ist ist West-Ost-Route fast ein kleiner Hüpfer. Ein paar  Zahlen gefällig? Wer von Frankfurt nach Rom fährt, hat an der schweizerisch-italienischen Grenze bei Chiasso gerade mal die Hälfte der Strecke geschafft; nach Rom sind es weitere 650 Kilometer auf der Autostrada del sole, der A1 - auf der leider auch nicht immer die Sonne scheint. Wer von Rom mit dem Auto nach Palermo fahren möchte, der hat eine Strecke von rund 900 Kilometern vor sich, und in Kalabrien ist die Dichte der Raststätten wahrlich noch ausbaufähig, womit wir bei der "Marschverpflegung" entlang der Route wären.

Gerade wer wie mein Mann viel beruflich - und auch nachts - unterwegs ist, kennt die auf Dauer ermüdenden Strecken bestens. Zwar sind die "Autogrills" 24 Stunden geöffnet und spenden bei Bedarf kräftigen Caffè sowie frisch gepresste Säfte, aber die sowieso eher trockenen und oft lieblos belegten Panini machen nachts um halb drei keine Freude mehr. Da gebe ich, wenn möglich, meinem Mann lieber ein paar selbstgemachte Leckereien wie diese saftigen kleinen Kastenküchlein mit.
Die helfen übrigens auch gegen ein nachmittägliches Tief...





Zutaten
(für 6 Plum Cakes)


  • 100 g weiche Butter
  • 70 g brauner Rohrzucker
  • 1 Tl Zimt
  • 1 Prise Salz
  • 1 Ei
  • 100 g Mehl
  • 2 Tl Backpulver
  • 30 g Walnüsse
  • 50 g getrocknete Feigen + 3-4 Feigen für die Deko





Den Backofen auf 180 Grad (Ober- und Unterhitze) vorheizen.
Silikonförmchen, wie ich sie verwende, müssen nicht gefettet werden; andere Förmchen mit etwas Butter ausstreichen.
Die Walnüsse grob hacken, die Feigen in kleine Würfel sowie die Feigen für den Belag in Scheiben schneiden.
Die weiche Butter mit dem Zucker, dem Zimt und der Prise Salz mit der Küchenmaschine oder dem Handrührgerät gut verrühren und das Ei zufügen. So lange weiterrühren, bis sich der Zucker aufgelöst hat.
Das mit dem Backpulver gemischte und gesiebte Mehl unterrühren und die Walnüsse sowie die Feigenstücke unterheben. Den Teig in die Förmchen füllen, mit den Feigenscheiben belegen und 25 Minuten backen.




Dienstag, 18. September 2018

Spaghettini ai funghi - oder auch: Wie aus Muscheln Pilze wurden



Zu meiner Lieblingspasta, den Spaghettini, wollte ich dieses Mal Champignons, die in Italien meist unter dem Überbegriff  Funghi - Pilze - angeboten werden, ganz puristisch ins Spiel bringen! Und nebenbei: Es muss nicht immer eine Sahnesößchen antreten, wenn Champignons untergebracht werden sollen! Bei den Zutaten für dieses Pastagericht habe ich mich dabei an einem Klassiker der Cucina del mare - der Meeresküche - orientiert, der bei mir - treue LeserInnen werden es wissen - weder in den Topf noch gar auf den Teller kommt: Pasta con le (oder alle) vongole - Pasta mit kleinen Venusmuscheln.

Wenn man nicht so genau hinguckt, ähnelt das Gericht schon äußerlich dieser in Italien sehr beliebten Spezialität aus Kampanien. Wie sehr da die richtige Pastasorte entscheidend ist, hatte ich vor längerer Zeit schon einmal augenzwinkernd geschildert. Die kleine Anekdote beweist, dass man sich in Italien mit falschen Kombinationen keine Freunde macht.

Auch wenn ich selbst Pasta mit Muscheln niemals essen würde, es ist ein Gericht, das in seiner Schlichtheit trotzdem appetitlich für mich aussieht - bei einigen Zutaten aus dem Meer muss ich auch schon einmal wegschauen -; vielleicht auch, weil ich Muscheln so dekorativ finde. Warum also nicht schummeln und die Muscheln einfach durch Pilze ersetzen?

Meinem Mann, der Meeresgetier ab und an ganz gerne auf dem Teller hat - auswärts, versteht sich -, hat diese Schummelei geschmeckt. Und eines hat das Ergebnis wieder einmal gezeigt: Champignons, die ja oft im Schatten von Steinpilzen, Pfifferlingen und Konsorten ein Dasein als mykologische Langweiler fristen, muss man nicht schamhaft verstecken  - nicht unter Sahnesößchen noch sonstwo.





Zutaten
(für 2-3 Personen)


  • ca. 500 g Champignons
  • 1 Knoblauchzehe
  • 1 Chilischote
  • ca. 1/2 Glas Weißwein
  • ein Bund glatte Petersilie (ca. 80 g)
  • Salz,
  • Olivenöl extra vergine
  • ein wenig Butter (für eine vegane Version einfach weglassen)
  • 250 g Spaghettini


Die Champignons putzen und mit einem feuchten Tuch abwischen; wenn sie stärker verschmutzt sind, kurz unter fließendem Wasser abbrausen und trockentupfen. In Scheiben schneiden.
Chilischote in feine Ringe schneiden oder fein hacken, Knoblauchzehe schälen.

In einer Pfanne Olivenöl und etwas Butter erhitzen und die Pilze zusammen mit dem Chili und der ganzen Knoblauchzehe (sie kann vor dem Servieren entfernt werden) scharf anbraten. Salzen und mit dem Wein ablöschen. Den Wein etwas verdampfen lassen.

In der Zwischenzeit die Spaghettini al dente kochen. Ich koche sie immer 1-2 Minuten kürzer als auf der Packung angegeben. Abseihen und zu den Pilzen in die Pfanne geben und alles zusammen noch einmal für eine Minute erhitzen; eventuell noch etwas Pastakochwasser hinzufügen. Zum Schluss die feingehackte Petersilie und noch einen guten Schuss Olivenöl untermischen.