Zwei Moderatoren eines in Italien beliebten Radiosenders haben sich kürzlich während ihrer Sendung aufs Köstlichste amüsiert! Gelästert wurde über die kulinarischen Fehltritte und Vorlieben der achtziger Jahre. An erster Stelle in der Aufzählung des Grauens: Tortellini mit Schinken, Erbsen und Sahne (scheint es in Deutschland dagegen immer noch auf den Speisekarten des "Italieners um die Ecke" zu geben). Weiter ging es mit Fruchtspießen, mit den mit Schinken umwickelten Grissini und dem damals nicht nur in Italien so beliebten Krabbencocktail! Ich musste schmunzeln. Tatsächlich - ob Silvestergala, Ärzteball oder auch private Party - der Krabbencocktail im Glasschälchen war allgegenwärtig auf den gestärkten weißen Tischdecken der Siebziger und Achtziger zu finden, hielt man ihn doch für den Gipfel exklusiver Kochkunst - mit einem Touch Exotik gleich dazu! Da wurde ein zusammengematschter Salat mit Krabben und undefinierbarer rosa (Cocktail-)Sauce - und was sonst noch drin war, weiß ich nicht, da wir alle in der Familie kein Meeresgetier mochten - gleich zum "Cocktail" hochstilisiert!
Vitello tonnato scheint, glaubt man den beiden Lästerern, auch seine besten Zeiten in den Achtzigern gefeiert zu haben. Da es dieses Gericht auf meinem Blog allerdings niemals geben wird, an dieser Stelle ein:
Kleiner Exkurs zu dem Kalbfleischklassiker aus dem Piemont
Diese Vorspeise, die in Italien meist unter der piemontesischen Dialektbezeichnung Vitel tonné angeboten wird, ist allerdings immer noch sehr beliebt. Was viele vielleicht nicht wissen: Das "tonnato" (von Tonno - Thunfisch) bezieht sich weniger auf die Sauce aus Thunfisch, Sardellen und Kapern, sondern auf das Fleisch selbst. Etymologisch gesehen kommt "Tonné" aus dem französischen Wort für "gegerbt" - tanné -, denn die Ursprünge dieses Gerichts lassen sich bis auf das 18. Jahrhundert zurückverfolgen, in dem sich in der Gegend um Cuneo die französische und italienische Sprache vermischten. In feinen Kreisen bevorzugte man zu dieser Zeit die französische Sprache; dabei waren beide Sprache gleichsam Amtssprachen. (Übrigens erkenne ich einen Piemonteser immer gleich an der nasalen Aussprache.) Mit der französisch angehauchten Bezeichnung für dieses Gericht - wobei Kalbfleisch korrekterweise dann allerdings "veau" heißen müsste - wollte man ihm einen gewissen adeligen Touch geben. Das kann durchaus auch ironisch gemeint worden sein, denn man verwendete auch Fleischreste dafür. Profaner dagegen ist die Erklärung, dass das Kalbfleisch - in Wasser und Wein gekocht -, am Ende so mürbe und zart wie Thunfisch war. Übrigens wird Vitel tonné dagegen in der Lombardei auch oft warm genossen; dort aber ursprünglich an Feiertagen wie dem Ferragosto ebenfalls kalt.
Das war's dazu, Ihr Lieben. Rezepte zu Vitel tonné müsst Ihr leider an anderer Stelle suchen. Dafür gibt es hier nun eine andere Spezialität aus Kalbfleisch:
Die zarten Scaloppine
Gar nichts mit Fisch hat ein weiteres Gericht zu tun, das ich bei frühen Italienurlauben kennengelernt habe und das auch ein wenig aus der Mode gekommen zu sein scheint, den Scaloppine. Die hat sogar mein in der Regel Fleisch verweigernder Vater irgendwie herunterbekommen - mit viel Pfeffer bestreut! Und da auch ich grobe Fleischstücke nicht unbedingt mag - sehr zum Unmut meines Mannes, der sich öfters mit mir mal eine ordentliche Fiorentina teilen möchte -, kommen mir solche dünnen Kalbschnitzelchen gerade recht.
Das wirkliche Wunderbare an den Scaloppine ist, dass sie:
1. blitzschnell zubereitet sind, wenn einmal die Zeit fehlt
und2. dass man sie in der Pfanne mit anderen Zutaten kombinieren kann und auch keine aufwändige Beilage brauchen.
Habe ich schon einmal erwähnt, dass ich geschmorten Fenchel liebe? Da brauche ich eigentlich gar kein Fleisch dazu. Und solcher Fenchel liebt die fruchtige Säure von Orangen; man denke da nur an die sizilianische Insalata di finocchi e arance. Die Schnitzelchen lieben Zitrusfrüche übrigens auch. Scaloppine baden genüsslich gerne während ihrer kurzen Zeit in der Pfanne - ob in Wein wie bei der Saltimbocca oder auch in etwas Zitronensaft oder einem kräftigen Sugo (siehe Rezepte am Schluss).
Dazu reicht ein Stück gutes Brot. Zu Hause darf man damit auch die "Scarpetta" machen (das Brot zusammendrücken und damit - so wie ein "Schühchen" über den Boden - über den Teller gleiten, um die Saucenreste aufzutunken)!
Zutaten
(für 2 Personen)
- 6 dünne Kalbschnitzelchen (z. B. aus der Lende)
- 500 g Fenchel
- 3 Orangen
- 50 g Oliven (in Öl eingelegte, einsteint, z. B. Taggiasche)
- 75 ml Cointreau
- Butter
- Olivenöl
- Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Die Kalbschnitzelchen behutsam mit dem Fleischklopfer noch etwas dünner plätten.
Den Fenchel putzen, dabei das Fenchelgrün aufheben. Den Fenchel halbieren (größere Fenchelknollen vierteln) und den Strunk herausschneiden.
Eine Orange filetieren, den Saft aufheben. Die beiden anderen Orangen auspressen und den aufgefangenen Saft dazugießen.
In einer Pfanne ein wenig Butter und Olivenöl erhitzen und die Schnitzelchen von beiden Seiten scharf anbraten. Salzen und pfeffern. Dann aus der Pfanne nehmen und warmstellen.
Die Fenchelhälften kurz in in dem Bratfett von allen Seiten anbraten, dann mit dem Cointreau ablöschen und diesen etwas einkochen lassen.
Den Orangensaft hinzufügen und den Fenchel zugedeckt zehn Minuten schmoren lassen; die Flüssigkeit sollte sich dabei reduzieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Nach dieser Zeit die Kalbschnitzelchen mit den Oliven und den Orangenfilets zu dem Fenchel in die Pfanne geben und nochmals erhitzen.
Mit dem Fenchelgrün bestreuen.
Weitere Gerichte im Blog mit den dünnen Kalbschnitzelchen, die man in Italien Scaloppine nennt:
Scaloppine al limone
Scaloppine alla pizzaiola