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Denke ich an Stracciatella alla romana, kommen mir unweigerlich jene römischen Restaurants in den Sinn, die mit Beginn des neuen Jahrtausends ausgestorben zu sein scheinen. Noch in den neunziger Jahren gab es jene Lokale, wo jeder Gast beim Gang zu seinem weiß eingedeckten Tisch an einem halb verglasten Vorspeisenbuffet vorbeikam, auf dem ovale Silberplatten die verschiedenen kalten Antipasti präsentierten: Gebratene Zucchinistückchen, gegrillte und mit in Streifen geschnittenen Basilikumblättchen bestreute Auberginenscheiben, Meeresfrüchte-Salat, säuerlich eingelegte Zwiebelchen, Paprikagemüse und Mozzarellakügelchen durften auf keinen Fall fehlen. Das Angebot variierte kaum in den unzähligen Ristoranti und Trattorie/Osterie der Stadt. Ältliche Kellner in weißen, oft viel zu großen Jäckchen servierten dem Gast dann mit routiniert-ernster, aber auch leicht mürrischer Miene, was die Speisekarte sonst noch zu bieten hatte: Römische, einfache Kost jenseits aller kulinarischen Moden.
Es war eine in sich geschlossene Welt, die nach und nach den Bedürfnissen einer neuen Generation, die auf Reisen die - auch kulinarische - Welt außerhalb der traditionellen italienischen Urlaubsorte kennengelernt hatte, weichen musste. Zudem änderte sich der Tourismus stark hin zum billigen Konsum - in jeder Beziehung. Nicht mehr der kunstbeflissene Reisende, der einst auch diese traditionellen Orte zu schätzen wusste, musste jetzt buchstäblich bedient werden, sondern ein Publikum, das in Italien auch auf der Suche nach Klischees war; die rot-karierte Tischdecke findet man demnach vor allem in Touristenfallen. Pizzerien sehen auf einmal aus wie ein Loft in New York, während sich in den bürgerlichen Wohnvierteln Roms die Jeunesse dorèe der Stadt zu Asian-Fusion-Küche in kalifornischer Strandatmosphäre trifft. Ich sehe viele Entwicklungen nicht nur negativ, begrüße durchaus auch die Öffnung hin zu den Küchen der Welt (was in Mailand längst schon früher stattgefunden hatte), denn wie heißt es so schön, wenn man einer Sache überdrüssig ist oder sie langweilig findet: Sempre la solita minestra! (Immer die gleiche Suppe!)
Womit wir beim Suppenthema wären! Stracciatella alla romana ist so eine Suppe, die ich mir in den Traditionsrestaurants, serviert im typischen weißen Suppenteller mit breitem Rand auf der weiß gestärkten Tischdecke vorstellen kann. Daneben ein Brotkörbchen mit den in diese Lokalen unvermeidlichen verpackten Grissini, die man beim Warten auf das Essen schon einmal anknabbert.
Ich weiß nicht, ob ich selbst jemals diese Suppe in einem solchen Restaurant bestellt habe, locken mich doch vor allem die Pastagerichte unter den Primi.
Stracciatella alla romana ist aber auch eine typische Festtagssuppe, die man in den römischen Familien traditionell zu Weihnachten serviert; mir stellt sich da trotzdem die Frage, ob man dieser Tradition wirklich noch huldigt.
Gehaltvoll wie diese Suppe ist, wurde sie einst auch den Kranken, Genesenden, den werdenden Müttern und den Wöchnerinnen gereicht. Die kräftige Brühe, vor allem aber die gehaltvolle Einlage aus Parmesan und Eiern, diese "Fetzchen" (Stracci = Lumpen, Fetzen), die der Suppe ihren Namen geben, weckte alle Lebensgeister.
Es ist die perfekte Suppe für kalte Tage, ein wahrer Seelenwärmer, mit der man sich ein Stück kulinarisch-altmodisches Rom nach Hause holen kann.
Zutaten
(Für 3-4 Personen)
Wie angekündigt, habe ich aus dem großen Knochen derBistecca alla Fiorentina eine kräftige Brühe gekocht.
Dazu nahm ich:
- besagten Knochen
- 2 Zwiebel
- 2 Karotten
- ein paar Selleriestangen
- ein Gewürzsäckchen mit zerdrückten Pfeffer- und Wacholderbeeren sowie einem Lorbeerblatt
- Salz
- ca. 2 Liter Wasser
Die Zwiebeln waschen und ungeschält halbieren. Auf dem Topfboden ohne Fett kurz anrösten, dann den Knochen hinzugeben und mit kaltem Wasser auffüllen. Das Gewürzsäckchen ins Wasser geben und alles ca. eine Stunde lang köcheln lassen.
In der Zwischenzeit Suppengemüse putzen und kleinschneiden.
Nach einer Stunde das Suppengemüse zur Brühe geben und eine weitere Stunde köcheln lassen. Salzen,
Suppe durch ein Sieb geben, dabei das Gemüse gut ausdrücken, und nochmals abschmecken.
Stracciatella
- 4 frische Bio-Eier
- 100 g Parmigiano Reggiano, frisch gerieben
- Salz
- Muskatnuss, frisch gerieben
Die Eier mit etwas Salz und der geriebenen Muskatnuss verquirlen. Dann den Parmigiano unterrühren.
Die Suppe zum Kochen bringen. Unter Rühren mit dem Schneebesen die Eier-Parmigiano-Mischung in einem dünnen Strahl in die Brühe fließen lassen.
Die Suppe nun 4-5 Minuten köcheln lassen, dann noch einmal mit dem Schneebesen durch die Suppe rühren. Nun sollten sich diese Wölkchen/Fetzchen gebildet haben.
Wer übrigens noch ein wenig die Atmosphäre vergangener römischer Restauranttradition erleben möchte, kann das beispielsweise in der Nähe der römischen Oper. Im Restaurant "La Matriciana" steht sogar noch die Stracciatella alla romana auf der Speisekarte. Dieses Restaurant gehört einer Vereinigung historischer Gaststätten an. Locali storici d'Italia
Allein die Ausstattung - witzig die alte Telefonkabine, die man theoretisch immer noch benutzen kann -, lässt alte Zeiten auferstehen. Das könnte der Schauplatz für einen Fellini-Film sein. Wenn jetzt die Kellner dort noch weiße Jäckchen trügen...
La Matriciana
Via del Viminale, 44
00184 Roma
Tel.: 0039 064881775
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