Gestern bin ich spontan auf die Suche nach jenen kleinen Metallröhrchen gegangen, die man für die Zubereitung eines der bekanntesten Dolci aus Sizilien braucht, den Cannoli Siciliani.
Es war gar nicht so einfach, diese Röhrchen zu finden, und ich sah mich schon auf dem Weg in den nächsten Baumarkt, wo es Rohre in allen Größen gibt, die man sich dann zurechtschneiden lassen kann. Ursprünglich wurde der Teig sogar um Bambusrohre gewickelt - im botanischen Garten in Trastevere gibt es ein kleines Bambuswäldchen -, aber ob man mich da, mit einer Machete bewaffnet, durch die Tore gelassen hätte?
Ein kleiner, gut sortierter Laden in der Nähe des exklusiven Modeviertels rund um die Via Condotti ersparte mir glücklicherweise den Baumarkt am Stadtrand sowie eine Dschungeltour durch den botanischen Garten.
Ziemlich dünn erschienen mir diese Röhrchen zunächst, viel dünner, als ich mir das vorgestellt hatte.
Aber es gibt Cannoli in allen möglichen Größen, und ich erinnere mich an einen Riesencannolo, armdick, den ich in einem Café in Palermo gesehen hatte.
Nächste Hürde war die Suche nach einem wirklich guten Rezept. Man lese dazu fünf italienische Kochbücher - und man hat dann fünf völlig unterschiedliche Rezepte zur Auswahl! Da ist von Cannoli gebacken aus 300 g Mehl die Rede, die man dann mit 300 g Ricotta füllen sollte, ein anderes Rezept nimmt für den Teig nur 150 g Mehl, will dann aber 500 g Ricotta in den fertigen Teighüllen unterbringen. Einige Teige sind mit Ei, die anderen ohne, manche mit Butter, andere vollkommen ohne Fett. Die Angaben für den Marsala, der in den Teig kommt, schwanken zwischen einem "halben Gläschen" bis zu einem "ganzen Gläschen", aber wenn man das "Gläschen" nicht kennt? Warum kann man Flüssigkeiten nicht einfach in ml angeben - und dann darauf hinweisen, dass man soviel von dieser Flüssigkeit einarbeiten soll, bis man einen glatten, schönen Teig hat?
Bin ich da jetzt zu pingelig? Geht das nur mir so, dass mich diese ungenauen Angaben ärgern? Beim Kochen sehe ich da keine Probleme, da bewege ich mich oft weg vom Rezept und fange an zu experimentieren. Aber beim Backen kommt es, wie ich meine, schon auf exakte Angaben an.
Angaben zu Größe der Metallhülsen fehlten zudem vollständig. Mit wie vielen von diesen süßen Röhrchen kann man dann später seine Gäste beglücken, wenn man sie aus 150 g Mehl backt? In einem Rezept, dem mit den 300 g Mehl, erhält man angeblich zehn Cannolihüllen zum Füllen, ein weiteres Rezept, auch aus 300 g Mehl, verspricht Cannoli-Genuss für sechs Personen; wie viele davon darf dann jeder essen?
Ein schönes Rezept für Cannoli habe ich dann nicht in meinen diversen Kochbüchern gefunden, sondern mal wieder bei
GialloZafferano.
Dort gibt man, wie es die Tradition will, Schmalz zum Teig. Diesen habe ich allerdings durch Butter ersetzt - Traditionalisten mögen es mir nachsehen. Apropos Schmalz. Wie anderes Schmalzgebackenes waren die Cannoli ursprünglich auch ein Gebäck, das man zur Karnevalszeit zubereitet hat. Heute aber gibt es sie ganzjährig.
Zur Vorbereitung habe ich aber erstmal meine Metallhülsen genommen und Papierchen zurechtgeschnitten, um später nicht mit dem Teig experimentieren zu müssen. So wusste ich ungefähr, wie groß ich meine Teigquadrate ausstechen musste. Nach der ersten Backrunde habe ich den Teig noch einmal etwas dünner ausgerollt.
Was soll ich sagen: mein erster Cannoli-Versuch scheint gelungen!
Zutaten (für ca. 18 Cannoli)
Teighülsen
- 250 g Mehl
- 30 g Puderzucker
- 50 g Butter (im Original-Rezept: Schmalz)
- 1 Prise Salz
- 1 Ei
- 1 Tl Zimt
- 1 Tl Kakaopulver
- 30 ml Weißweinessig
- 30 ml Marsala
- 1 Eiweiß
- 1 L hoch erhitzbares Pflanzenöl (im Original-Rezept: Schmalz)
Ich benutze Cannoli-Formen mit einer Länge von 11,7 cm und einem Durchmesser von ca. 2,4 cm.
Cannoliformen (und deswegen ist es gut, dass ich sie nicht aus dem Baumarkt habe) bestehen aus einem gerollten und nicht zusammengeschweißten Blech, so dass sie flexibel bleiben. Das erleichtert später das Abnehmen der fertigen Teighülsen.
Aus dem gesiebten Mehl, Puderzucker, Butter in Flöckchen, Salz, Ei, Zimt und Kakaopulver einen elastischen Teig kneten, dabei vorsichtig den mit dem Essig vermischten Marsala hinzugießen. Eventuell braucht man nicht die ganze Flüssigkeit.
Den Teig in Folie wickeln und eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen.
Danach portionsweise ausrollen. Mit der Nudelmaschine kann man bis auf Stufe 6 gehen.
Dann Quadrate von ungefähr 9 cm Seitenlänge ausschneiden.
Die Teigquadrate um die Formen, die man vorher etwas eingeölt hat, wickeln und die Spitzen aneinanderdrücken. Diese vorher mit etwas Eiweiß bestreichen.
In einem Topf das Öl erhitzen, und die Formen mit dem Teig portionsweise ausbacken. Mit einer Schaumkelle herausfischen und auf einen mit Küchenpapier ausgelegten Teller legen und vollständig erkalten lassen. Dann die Metallhülsen etwas zusammendrücken und die Cannoli abziehen.
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Das Entfernen der Hülsen verlief ohne Probleme... |
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Die erste Runde: Noch sind die Teighüllen etwas dick (aber trotzdem wunderbar im Geschmack). |
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In der zweiten Frittierrunde habe ich den Teig etwas dünner ausgerollt. Jetzt sind sie perfekt! |
Ganz wichtig: Die Teighüllen kann man schon einige Tage vorher backen, aber gefüllt werden sollten sie erst kurz vor dem Servieren!
Die Füllung:
Ganz entscheidend für einen echt sizilianischen Cannoli-Genuss ist natürlich die Füllung. Ich habe mich natürlich für die beliebtere Ricotta-Füllung entschieden, auch wenn man in der Gegend um Messina und Catania gerne auch Konditorcrème in die Röhrchen spritzt.
Nirgends schmeckt die Ricotta aromatischer als auf Sizilien, dieser faszinierendsten Region Italiens! Aber es ist nicht nur der Geschmack, es ist das gesamte Mundgefühl, diese seidige Konsistenz der Ricotta, wie ich sie nur dort genossen habe.
In der Nähe des Justizpalasts von Palermo gibt es einen kleinen Verkaufsstand, eine Art "Kiosk", der rund um die Uhr geöffnet ist. Dort kann man sich frische Brioches, wie Cornetti in Italien auch genannt werden, kurz vorm Verzehr füllen lassen - mit Marmelade, Nutella und eben auch mit jener so unvergleichlichen Ricotta! Vor Jahren kamen wir nach stundenlanger Autofahrt von Rom aus in Palermo mitten in der Nacht an. Die Strecke ist nicht zu unterschätzen: 900 Kilometer muss man dabei zurücklegen, und gerade auf den Autobahnen Kalabriens ist es eine elende Fahrerei. Dann muss man auf die Fähre in Reggio warten, um nach Messina überzusetzen.
Wir waren jedenfalls müde und hungrig. Ein paar eingetrocknete Scheiben Bresaola auf einem Tellerchen, das uns das Hotel noch ins Zimmer gestellt hatte, hob unsere müde Stimmung nicht gerade. Normalerweise sehne ich mich nach einer solchen Fahrt nur noch nach einem Bett. Aber ich war schlagartig wach und schlug vor, noch in der Nacht zum Justizpalast zu fahren, zu jenem kleinen Kiosk, den wir schon aus vorangegangenen Besuchen gut in Erinnerungen hatten. So etwas kommt bei mir wirklich selten vor, gerade auch die Lust auf Süßes.
Gut - zurück zu meinen Cannoli und der Ricotta. Um sich dem "sizilianischen" Ricotta-Erlebnis anzunähern, reicht es nicht, diese einfach mit Zucker zu verrühren. Nein, die Ricotta will mit Respekt behandelt werden:
- 600 g Ricotta di pecora (Schafsricotta)
- 150 g Zucker
- 75 g Schokotröpfchen (oder kleingehackte dunkle Schokolade)
- Orangeat, Zitronat, kandierte Kürbisstückchen oder kandierte Kirschen (Menge nach Geschmack)
- gehackte Pistazien
- Puderzucker zum Bestäuben
Zunächst sollte man die Ricotta gut abtropfen lassen. Ich habe sie in ein Sieb gelegt, dieses über eine Schüssel gehängt und sie für einige Stunden (das kann man auch über Nacht) in den Kühlschrank gestellt.
Dann wird die Ricotta mit dem Zucker verrührt und kommt noch einmal für eine Stunde in den Kühlschrank.
Die gesüßte Ricotta wird danach durch ein engmaschiges Sieb gestrichen.
Jetzt kann man sie nach Belieben mit kandierten Früchten, Schokotröpfchen oder beidem verrühren.
Die Ricottamasse in einen Spritzbeutel füllen und in die Teighüllen spritzen.
Die beiden Enden der Cannoli kann man nun nach Belieben verzieren. Entweder mit kandierten Kirschen, einem Stück kandierter Orangenschale oder auch mit gehackten Pistazien. Auch das soll je nach Region unterschiedlich sein.
Die Cannoli zum Abschluss noch mit etwas Puderzucker bestäuben.
Ein Cannoli-Gruppenfoto gibt es nicht, denn ich bringe sie heute Abend lieben Freunden zum Dessert mit. Erst dann werden sie gefüllt, damit die Teighüllen schön knusprig bleiben.
Und dann: Augen schließen, Cannoli genießen - und von Sizilien träumen...
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Nicht verkäufliche "Ausstellungsstücke" in einer römischen Konditorei. Erst beim Kauf werden sie mit frischer Ricotta gefüllt.
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♥♥♥
Un abbraccio
Ariane