Gestern erreichte mich eine Einladung zu einem neuen
Blogevent, den Zorra vom
"Kochtopf" zusammen mit Luna von "
Luna's Philosophy" ausrichtet.
Schrecksekunde! Pizza!
Erinnerungen an gefährliches Hantieren mit heißen Backblechen kommen hoch, auf die ich fertig belegte Pizze ziehe, um mit einer solchen heiklen Aktion irgendwie einen halbwegs anständigen Pizzateig, schön knusprig, aber keinesfalls hart, hinzubekommen.
Lieber nicht teilnehmen, war - ehrlich gesagt - mein erster Gedanke. Da liest man immer wieder von beneidenswerten Zeitgenossen, die sogar einen Holzofen ihr eigen nennen oder stolze Besitzer eines Pizzasteins sind, auf denen sie die wohl berühmtesten Teigfladen der Welt backen.
Ich habe weder das eine noch das andere.
Nein, ich backe keine Pizza, sage meine Teilnahme ab, erfreue mich aber an den Beiträgen der anderen...
Kaum angedacht, hat es doch ein wenig an meiner "italienischen" Ehre gekratzt! Da lebe ich hier seit vielen Jahren, schreibe ein Blog über italienische Spezialitäten - und dann soll an dieser Stelle nie ein Pizzarezept erscheinen? Pah! Italien ist ja nicht nur Pizza und Pasta!
Ausflüchte...
Es ist ja auch nicht so, dass ich nicht schon Pizza gebacken hätte - siehe oben mein "genialer" Tricks mit dem glühend heißen Backblech. Meist war sie auch ganz annehmbar, aber wenn man natürlich den direkten Vergleich mit einer original neapolitanischen Pizza zieht, mehrfach genossen nicht in einer dieser Edelpizzerien oder gar Pizzaketten-Restaurants, sondern in den berüchtigten Spanischen Vierteln, an einfachen, mit Papiertischdecken belegten Tischen, eingelullt in den selbst für Mailänder oder Römer schwer verständlichen neapolitanischen Kauderwelsch, dann schämt man sich fast seines Produkts aus dem heimischen Ofen. Da mag auch der üppigste und phantasievollste Belag nicht darüber hinweghelfen! Ganz im Gegenteil: Die klassische Pizza ist einfach! Sehr einfach belegt, und die Beliebteste immer noch die "Margherita" in den italienischen Nationalfarben: Eine Pizza mit Tomatensauce, Mozzarella di Bufala und ein paar Blättchen Basilikum - und basta! Natürlich - an touristischen Orten gibt es auch solche Auswüchse wie Pizza con Wurstel! Vor so etwas wendet sich die neapolitanische Seele mit Grausen ab!
|
Geburtsort der Pizza Margherita in Neapel |
Aber es fehlt auch dieser klassischen Margherita - aus dem heimischen Ofen - jener so typische Geschmack, jener Kick, der ihr nur in einem Holzofen, dem "Forno a legna" mitgegeben wird. Bei Temperaturen um die 450 Grad wird sie dort für drei bis fünf Minuten gebacken.
In Rom ist die Pizza etwas dünner im Teig, und es umgibt sie nicht dieser so typisch aufgeworfene Rand wie bei einer Pizza aus Neapel, perfekt ausbalanciert zwischen fluffig und dennoch knusprig.
Pizza a taglio - große, meterlange Pizza_Bahnen -,die dann in Stücke geschnitten und oft zusammengeklappt verkauft werden, gibt es in den italienischen Metropolen an vielen, gerade touristischen Ecken. Meist sind es geschmacklose Verkaufsläden, nur der schnellen Sättigung zwischendurch huldigend, in denen man diese Pizzastücke für wenig Geld kaufen kann.
Beliebt ist die Pizza rossa (mit Tomatensauce) oder Pizza bianca (ohne alles), die auch die Römer im "Forno" am Campo de' fiori um die Mittagszeit kaufen - und nur um die Mittagszeit, und nicht zum Frühstück und nicht zum Abendessen, wie ich schon fälschlicherweise lesen konnte. Ab und an schlage auch ich da mal zu, viel Geschmack kann man aber nicht erwarten, obwohl immer frisch der Nachschub aus Backstube kommt. Man sollte sie wirklich sofort noch vor Ort essen, denn sie kühlt in Windeseile aus und schmeckt dann gar nicht mehr.
Vor Jahren hat bei diesem Forno ein bayerischer Bäcker in einer in jeder Beziehung einmaligen Aktion deutsche Brotspezialitäten gebacken und angeboten. Die Produkte gingen im wahrsten Sinne weg wie warme Semmeln und machten der Pizza einige Konkurrenz. Heute aber sind es wieder jene Pizzastücke, die Massen von hungrigen Römern und Touristen anziehen.
Pizza essen in Rom - auch das ist nicht ganz einfach, sucht man eine wirklich gute Pizza. Legendär ist die Pizza bei Baffetto in der Altstadt. Vor Jahren hatte ich da mal mit großen Erwartungen Pizza bestellt, und war letztlich doch enttäuscht. Aber diese Pizzeria hat sich eben einen Namen gemacht und wird immer wieder hoch gelobt. Vielleicht sollte ich dem Laden noch mal eine Chance geben.
Manchmal gehen wir auch zu Gusto in der Nähe der
Ara Pacis Augustae. Sicher, da läuft es fast schon industriell ab, aber schlecht finde ich die Pizza dort nicht. Was für eine Unterschied aber ist der Genuss einer Pizza in diesem im Vintage-Look gestylten Laden mit einem hauptsächlich aus schicken jungen Römern bestehenden Publikum zu jenem fast schäbigen Lokal in den Spanischen Vierteln von Neapel. Den Tipp zu letzterer Pizzeria bekamen wir einst von einem Pfarrer, der die schwierige Aufgabe hatte, Jugendlichen in diesen Elendsvierteln eine Perspektive und einen Weg aufzuzeigen, der nicht in die Kleinkriminalität oder gar zu Schlimmerem führte. Es war seine Stammpizzeria, und irgendwann saßen wir bei jedem Neapelbesuch ebenfalls dort, in der Pizzeria "7 Soldi" (das klingt im Italienischen so ähnlich wie "drei Groschen"). Eine Pizzeria - gänzlich untouristisch, mitten im neapolitanischen Leben, vor der Tür Müll und Handel mit geschmuggelten Zigaretten. Noch immer sehe ich, wie ein Küchenjunge losgeschickt wurde, Zwiebeln zu kaufen; ich war wohl die einzige, die Zwiebeln auf ihrer Pizza wollte - ich liebe Zwiebeln auf Pizza! Natürlich hätte ich darauf verzichtet, keine Frage, wenn ich gewusst hätte, dass es in der Küche keine Zwiebeln gab. Aber das ist Neapel, hier wird improvisiert. Das ganze Leben ist Improvisation!
Überhaupt - meine Lieblingspizza ist eine Pizza rossa (mit Tomatensugo) mit scharfer Salami, wenig Käse und ganz viel Zwiebeln!
Zur Pizza trinken die Italiener übrigens Bier, wollte ich noch anmerken, und keinen Rotwein wie in der deutschen Fernsehwerbung für diese Tiefkühlfladen. Eigentlich ein Unding: Hefe im Teig, Hefe im Bier: danach spannt die Kleidung um die Taille.
Zurück zur Aufgabe: Pizza soll gebacken werden!
Gut, was macht man, wenn man eben kein glücklicher Besitzer eine Holzofens oder Pizzasteins ist? Wie umschifft man diese Klippen mehr oder weniger elegant?
Richtig: Man frittiert die Dinger! Da ist jetzt keine Erfindung aus Not von mit, sondern steht ganz und gar in der neapolitanischen Tradition. Angeblich sollen diese Pizzette fritte, auch Pizzelle genannt, in den Bassi, das sind die typischen ebenerdigen Ein-Zimmer-Wohnungen, in denen eine ganze Familie lebt, gebacken worden sein. Ein typisches Arme-Leute-Essen! Die volkstümliche Bezeichnung dieser Pizzette lässt ahnen, was es mit diesem typischen "Street Food" auf sich hatte: "A ogge a otte" - was aus dem Dialekt übersetzt so viel bedeutet wie "ich esse es heute und bezahle in acht Tagen". Man sagt, die Pizzaioli, die Pizzabäcker, hätten Erbarmen mit den armen Leuten des Viertels gehabt und ihnen Kredit gegeben. Ihre Ehefrauen bereiteten aus den Teigresten ihrer Männer dann die Pizzette zu.
In der Tat sind diese Pizzette etwas "ärmlich" - und vielleicht der schlichteste Beitrag zu diesem schönen Event.
Aber sie schmecken herrlich, der Teig geht wunderbar auf, und mit einem Klecks Sugo, der herrlichen Mozzarella und dem Aroma des Basilikums wähnt man sich direkt in Neapel!
Zutaten (für 12 Pizzette)
Teig
- 500 g Mehl (ich habe die Mehltypen 00 und 0 gemischt, zu den Mehltypen siehe hier)
- 25 g frische Hefe
- 15 g Salz
- 1 Tl Zucker
- 250 ml lauwarmes Wasser
- 1 L hoch erhitzbares Pflanzenöl
Die Hefe mit dem Zucker in 125 ml lauwarmen Wasser auflösen.
Das Mehl in eine Schüssel sieben, eine Mulde hineindrücken und die Hefelösung hineingiessen. Dann das Salz im restlichen Wasser auflösen und ebenfalls zum Mehl geben. Mit dem Knethaken einen elastischen Teig kneten. Die Schüssel zudecken und den Teig an einem warmen Ort ungefähr zwei Stunden gehen lassen. Das Teigvolumen sollte sich dann verdoppelt haben.
Den Teig nochmals durchkneten, zu einer Rolle formen und diese in 12 Teile schneiden. Jedes Teil zu einer Kugel drehen, auf ein bemehltes Brett setzen und zugedeckt nochmal einen halbe Stunde gehen lassen.
In einer Pfanne mit hohem Rand das Öl erhitzen.
Jede Teigkugel mit den Händen zu einem Fladen mit etwas dickerem Rand formen. Portionsweise die kleinen Pizzette frittieren, dabei im Öl auch einmal umdrehen. Wenn sie eine schöne goldgelbe Farbe angenommen haben, aus dem Öl heben und auf einem mit Küchenpapier ausgelegten Teller setzen.
Belag
- 400 g Polpa di Pomodoro (Tomatenstückchen aus der Dose, in der Saison kann man natürlich auch frische Tomaten verwenden)
- 1 kleine Schalotte
- 1 Knoblauchzehe
- Salz, frisch gemahlener Pfeffer
- 1 Prise Zucker
- etwas Oregano
- Olivenöl extra vergine
- Mozzarella di Bufala
- Parmigiano Reggiano, frisch gerieben
- ein paar Basilikumblättchen
Die Schalotte und die Knoblauchzehe fein hacken und in Olivenöl anschwitzen. Die Polpa di Pomodoro hinzufügen und mit Salz, Pfeffer und Zucker abschmecken. Mit wenig Oregano würzen, und den Sugo mindestens 30-45 Minuten auf kleiner Flamme köcheln lassen.
In jede Mulde der Pizzette etwas von dem noch warmen Sugo geben. Nach Belieben entweder mit Stückchen von Mozzarella belegen oder mit geriebenem Parmesan bestreuen.
Auf jede Pizzetta ein Basilikumblatt geben.
Rezeptquelle: Für das Verhältnis von Mehl und Flüssigkeit und was die kleine Geschichte um die Herkunft der Pizzette betrifft, habe ich mal bei GialloZafferano gespickt.
An dieser Stelle noch eine kleine Anmerkung: Diese Pizzette hatte ich schon öfters in Neapel gegessen; sie werden dort oft im Brotkörbchen gereicht. Da mir meine Pizza nie so gelingen will, wie ich sie mir vorstelle, kam mir schon gestern Abend die Idee, diese frittierten Pizzette für den Blogevent herzustellen - nachdem mir sie immer wieder mal im Kopf herumgeschwirrt waren. Dafür habe ich ein paar italienische Rezepte im Internet studiert und heute morgen noch Zutaten besorgt. Bei italienischen Rezepten suche ich in der Regel bei original italienischen Quellen.
Tagsüber war ich dann beschäftigt. Nach der Zubereitung, dem Fotografieren und der Fertigstellung des Textes habe ich dann nochmal nach dem Blogevent geschaut - und auch ein erstes Rezept von Pimpimella gefunden: eine sehr verlockende Kartoffelpizza! Für den Pizzateig war ein Link angegeben - und da hatte Pimpimella ebenfalls schon einmal diese kleinen Pizzette zubereitet.
Mir erscheint es an dieser Stelle fair, auf ihr schönes Rezept hinzuweisen! Ihre Pizzette sehen wunderbar aus und zeigen, wie phantasievoll man sie belegen kann.
Gourmettipps
Pizzeria Baffetto
Via del Governo Vecchio, 114
Roma
Tel.: 06 6861617
Homepage
Pizzeria und Ristorante Gusto
Piazza Augusto Imperatore, 9
Roma
06 3226273
Homepage
Forno
Am Campo de' fiori
Roma
Homepage
Pizzeria Sette Soldi
Vico Tre Re A Toledo, 6
Neapel
081 418727
Plan
(Unser letzter Besuch dort liegt schon ein wenig zurück. Wie sich diese Pizzeria entwickelt hat, kann ich nicht sagen.)
Un abbraccio
Ariane