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Was macht man mit verbliebenen 15 (in Worten: fünfzehn) Gianduiotti, die seit Weihnachten, dekorativ in einem Schälchen angerichtet, beim Staubwischen immer wieder hin- und hergeschoben werden? Die einfach nicht weniger werden wollen, da man kein Nougatfan ist. Denn so schmecken sie, pur nach Nougat. Vielleicht aber auch, weil man sich einst für alle Zeiten sattgegessen hat an dieser Pralinenspezialität aus dem Piemont. In den Nullerjahren, anlässlich der Olympischen Winterspiele 2016 in Turin, fand ich es eine gute Idee, die Spezialitäten der Stadt vorzustellen. Also reiste ich hin und knüpfte mir unter anderem die Gianduiotti vor.
"Denn was dem Wiener seine Sachertorte, dem Salzburger die Mozartkugel - das ist dem Turiner sein 'Gianduiotto', eine zart auf der Zunge zergehende Nougatpraline", schrieb ich in meinem Artikel für eine Tageszeitung.
Natürlich wurde ich bei jedem der stolzen Produzenten mit einer Pralinenschachtel bedacht; es kam eine üppige Sammlung zusammen! Nun bin ich kein Liebhaber der zartschmelzenden Häppchen, habe natürlich trotzdem genascht. Um dann festzustellen: Ist nicht so meins. Ich ziehe eine dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil als kleine Sünde zwischendurch vor.
Kurz vor Weihnachten kam im vergangenen Jahr wieder ein Schächtelchen an, dieses Mal von Freunden. Sehr aufmerksam! Allein die edle Verpackung - in Italien hat man einfach Stil! Ich habe sie zum Espresso gereicht, meinen Gästen die Geschichte der Gianduiotti heruntergebetet, zwischendurch bei drohender Unterzuckerung selbst in die Schale gegriffen - sie wurden einfach nicht weniger! Bis die ultimative Rettung nahte. Ich habe sie buchstäblich einschmelzen können.
Szenenwechsel!
Suchkosten sind nicht nur monetäre Kosten, sagt mein Mann, der Ökonom, immer wieder. Wo bekommt man hier in Deutschland qualitativ hochwertigsten Zutaten aus Italien zu kaufen? Das kann auch eine Menge Zeit kosten. Bei der Recherche erlebte ich einige Reinfälle, habe aber mittlerweile meine Quellen gefunden. Ganz vorne: Ein kleines Hinterhoflädchen mit ein paar Tomatenpflanzen vor der Tür, wie man es auch in Süditalien finden könnte, für Mozzarella und Co.! Und für - Trommelwirbel - Ricotta.
Die geschmacksneutrale, mehliges Mundgefühl hinterlassende Spachtelmasse, die man abgepackt in jedem Supermarkt hier kaufen kann, hat sicher keine Liebhaber der Ricotta hervorgebracht. Der "Ersatz", der oft genannt wird, falls man keine im Kühlregal finden sollte - Hüttenkäse (Dio mio!), Crème fraîche (Really?), Mascarpone (nein, nein und nochmals nein!) - , spielt in einer anderen Liga. Es ist ja nichts gegen diese Produkte zu sagen, aber das ist, als wolle man Äpfel mit Birnen vergleichen. Als Massenware produzierte "Industrie-Ricotta" lässt noch nicht einmal ansatzweise die Geschmackstiefe einer guten Ricotta erahnen. Einer Ricotta, die man einfach nur so löffeln kann. Ohne alles!
Es ist witzig. In meinem ersten römischen Jahren bedauerte ich sehr, dass es in Rom keinen Quark zu kaufen gab - was sich mittlerweile geändert hat. Gerade Biomarkt-Ketten bieten (deutsche) Milchprodukte an. Als bekennender Käsekuchenfan war der Verzicht auf Quark eine halbe Tragödie. Dann entdeckte ich die wunderbare Ricotta di Pecora - Schafsmilchricotta. Der damit zubereitete Käsekuchen schmeckte nochmal so gut! Quark war kein Thema mehr. Die geneigte Leserschaft kann sich denken, wie es mir nun hier nach meinem Umzug erging.
Einem von der Accademia Italiana della Cucina organisierten Abendessen habe ich es zu verdanken, dass ich auf einen kleinen Hersteller italienischer Käsespezialitäten aufmerksam wurde. Bei jenem Abendessen gab es ein Antipasto, bei dem Ricotta die Grundlage bildete. Ein Bissen, und ich bekam nostalgische Gefühle kulinarischer Art. Wo gab es diese wohl zu kaufen? Ausgerechnet im von uns Frankfurtern so geschmähten Offenbach, wie ich durch den Restaurantbetreiber erfuhr!
Es hat dann noch ein paar Monate gedauert, bis sich endlich die Gelegenheit ergab, die Weltreise nach Offenbach anzutreten. Wie bereits gesagt, fand ich mich dort in einem winzigen Verkaufsraum wieder, den man genauso bei Caserta oder auch in Neapel hätte finden können. Vierzig Jahre nun gibt es das Lädchen nun schon. Geleitet wird der Familienbetrieb mit eigener Käseproduktion von Signor Vito Giuseppe L'Abbate, der Sohn des Gründers, der in den sechziger Jahren aus Apulien nach Deutschland gekommen war, und seiner deutschen Frau Andrea. Produziert werden hier unter anderem italienische Käsespezialitäten wie Mozzarella oder Ricotta, darunter "Ricotta infornata" mit Kräutern. Allerdings wird hier ausschließlich Kuhmilch verwendet. Aber auch Liebhaber der Mozzarella di Bufala gehen nicht leer aus; viele Käsespezialitäten bezieht Signor L'Abbate direkt von italienischen Herstellern. Weine, Olivenöl oder auch Pastaspezialitäten runden das Angebot ab.
Nette Zugabe: Der ganz in der Nähe gelegene Wochenmarkt verströmt etwas von der schmerzlich vermissten Campo de`fiori-Atmosphäre. Ja, sogar einen Blumenstand gibt es. Rund um den Markt laden Cafés und Restaurants zum Verweilen ein (und auf dem Markt wird viel gegessen; das kenne ich so aus Italien nicht); auch wir gönnten uns nach dem Einkauf noch einen Cappuccino. Dabei ertappte ich mich, wie ich nach einem düster den Platz überblickenden Giordano Bruno Ausschau hielt...
Übrigens hat sich auch meine Einstellung zu der in Italien beliebten Kuchensorte "Crostata" zum Positiven hin geändert (hatte ich mich in der Vergangenheit nicht schon mal negativ geäußert?). Fand ich diesen Kuchen einst trocken und phantasielos, mag ich heute sehr gerne ein Stück davon zum Kaffee. Ehrliche, unkomplizierte Backware! Und mit Ricottafüllung gleich nochmal so gut. Sogar wenn sich darin Gianduiotti verstecken!
Zutaten und Zubereitung
(für eine Tarteform 28 cm Ø mit herausnehmbarem Boden, ersatzweise Springform)
Mürbeteig
- 250 g Mehl + Mehl zum Ausrollen
- 1 Ei
- 60 g Zucker + Butter für die Form
- 125 g kalte Butter
- 1 Prise Salz
- 1 El kaltes Wasser
Das Mehl in eine Schüssel sieben, eine Prise Salz hinzufügen in die Mitte eine Mulde drücken und das Ei sowie das Wasser hineingeben. Die eiskalte Butter in Flöckchen auf den Rand setzen und den Zucker darüberstreuen. Alles zu einem glatten Teig verkneten und diesen, in Folie gewickelt, mindestens für eine halbe Stunde in den Kühlschrank legen.
Die Tarteform mit Butter ausstreichen. Zwei Drittel des Teiges ausrollen und Boden sowie Rand der Form damit auskleiden. Die Form sowie den übrigen Teig zurück für weitere zwei Stunden in den Kühlschrank stellen.
Füllung
- 400 g frische Ricotta
- 2 Eier
- 30 g Mehl
- 70 g Zucker
- Zimt nach Belieben
- ca. 15 Gianduiotti
- Puderzucker
Die Eier mit dem Zucker hellschaumig aufschlagen, dann die Ricotta gut unterrühren bis keine Klümpchen mehr zu sehen sind. Mehl und Zimt ebenfalls darunterrühren. Die Gianduiotti in kleine Stückchen schneiden (diese am besten vorher im Kühlschrank aufbewahren) und unterheben.
Den Backofen auf 180 Grad (Ober- und Unterhitze) vorheizen.
Die Form aus dem Kühlschrank nehmen und die Ricottamasse darin verteilen.
Den restlichen Teig auf etwas Mehl ausrollen und mit einen Teigrädchen in Streifen schneiden. Diese Teigstreifen gitterartig auf die Füllung legen.
Die Crostata ca. 45 Minuten im Ofen backen. Abgekühlt mit Puderzucker bestäuben.
🐄🐄🐄
Gourmettipp:
L'Abbate Käsefabrik
Bieberer Straße 23
63065 Offenbach
Offenbacher Wochenmarkt
Wilhelmsplatz
Offenbach