"Das ist ja, als habe man Seidenpapier im Mund!" Ich schwöre es, das waren meine ersten erstaunten und begeisterten Gedanken, nachdem ich die Gabel mit den aufgerollten
Fettuccine Alfredo zum Mund geführt hatte. Die legendären Fettuccine, DAS Pastagericht aus Rom, dessen Ruf es bis nach Hollywood geschafft hatte. Was hatte ich alles darüber gelesen! "Besondere" Gäste durften die sogar mit goldenem Besteck essen (davon später mehr) - und dann widerfuhr mir diese Ehre! Auf einem mit einer feinen Serviette ausgelegten Tellerchen reichte man mir das Besteck; ich glaube, sogar ein Löffel lag dabei (in Italien gibt man das nur den ganz kleinen Kindern oder dem
Nonnetto [Großväterchen], damit er nicht kleckert!). Sogar in das Gästebuch durfte ich mich eintragen - warum auch immer -, was ich als besondere Ehre empfand! Was für Namen konnte ich darin lesen; die fotografische Entsprechung fand sich an den Wänden wider, die gepflastert waren mit den Abbildungen berühmter Filmstars, die es einst in das Lokal gezogen hatte.
"
Et in Arcadia ego", schrieb ich in meinem Überschwang - natürlich bei diesen Worten an Goethe denkend -, auch wenn hinter diesem Zitat eigentlich eine bittere Wahrheit steht.
Das alles ist über dreißig Jahre her...
Es war bei meinem ersten Besuch in der Ewigen Stadt; auf den Spuren Goethes war ich unterwegs. Die kulinarischen Reize Roms waren ziemlich nebensächlich für mich. Ich schrieb an meiner Magisterarbeit mit dem hochtrabenden Titel: "Goethes Verhältnis zur bildenden Kunst der Antike. Beispiele aus seinen Schriften zur Kunst". Klingt für viele sicher nach ziemlich trockenem Stoff. Für mich war es das schönste Thema, das ich mir damals vorstellen konnte. Ehrfürchtig pilgerte ich - als Höhepunkt und Ziel meiner Reise - zur Laokoon-Statue in den Vatikanischen Museen, über die Goethe den wohl schönsten Aufsatz über ein Kunstwerk verfasst hatte, den die Welt kennt.
Aber einmal wenigstens, an einem Abend, da gönnte ich mir ein Abendessen bei "
Alfredo" - in der
Via della Scrofa - der "Saustrasse"
.
Die zwei "Alfredo"
Zu welchem "Alfredo" man geht, um die berühmten Fettuccine zu essen, ist vielleicht eine Glaubensfrage, denn es gibt gleich zwei Restaurants, die für sich beanspruchen, der "wahre" Alfredo zu ein. Dementsprechend nennt sich das Restaurant in der Nähe des Augustusmausoleums, untergebracht in einem Gebäude aus der Mussolini-Zeit,
auch "
Il vero Alfredo".
Wie aber ist es dazu gekommen? Dafür muss man zu den Ursprüngen und dem Erfinder der Pasta zurückkehren, zu Alfredo Di Lelio und in das ferne Jahr 1908.
Alfredos Frau Ines soll nach der Geburt ihres ersten Kindes so schwach gewesen sein, dass er kurzerhand ein stärkendes und einfaches Gericht auf der Basis von Pasta und Butter erfand; in der kleinen Trattoria von Alfredos Mutter an einem längst verschwundenen Plätzchen, an dessen Stelle sich heute die Galleria Alberto Sordi befindet.
1914 eröffnete Di Lelio dann sein erstes eigenes Restaurant in der Via della Scrofa, wo es sich noch heute befindet. Aber bereits 1943 überschrieb er das Lokal zwei Mitarbeitern, deren Nachkommen es noch heute leiten. Alfredo selbst eröffnete 1950 zusammen mit seinem Sohn das bereits erwähnte Restaurant "
Il vero Alfredo" beim Augustusmausoleum. Noch heute ist dieses in Familienbesitz.
Dennoch pilgern die meisten Besucher auf den Spuren Alfredos und der berühmten Fettuccine zum Stammhaus in der Via della Scrofa.
Die Lieblingspasta der Filmstars aus Hollywood
Wie aber kam es, dass ein so einfaches Pastagericht vor allem in den Vereinigten Staaten einen solchen Erfolg erzielen konnte und geradezu legendär wurde? Ein Gericht, das man in der Alltagsküche auch schlicht Pasta, burro e parmigiano nennen kann. Angeblich gab es schon Vorläufer dieses Gerichts im 15. Jahrhundert; so erwähnt ein gewisser Maestro Martino da Como, Koch und Autor, ein ähnliches Pastagericht in seinem Werk "
Libro de arte coquinaria ".
Aber es waren zwei Stars des Stummfilms - Douglas Fairbanks und Mary Pickford -, denen diese Nudeln ihren Siegeszug in die Welt hinaus verdanken. Nach einem Besuch des Restaurants im Jahr 1927 waren die beiden so begeistert, dass sie Alfredo einen goldenen Löffel und eine goldene Gabel schenkten.
War das vielleicht das Originalbesteck, mit dem ich in den fernen achtziger Jahren meine Fettuccine essen durfte?
Nicht nur Filmstars statten dem Restaurant einen Besuch ab, so zum Beispiel Henry Morgenthau oder auch Mitglieder der köngilichen Häuser Europas:
Ein Besuch zu Recherche-Zwecken
Merkwürdigerweise spielen die beiden Restaurants in unserem Alltagsleben oder im "Ausgehverhalten" schon lange keine Rolle mehr. Auch unter "richtigen" Römern nicht. Wir haben noch nie von Freunden gehört: "Komm', lasst uns mal wieder bei "Alfredo" essen!" Bei welchen "Alfredo" auch immer. Wobei man ungerechterweise bei "Alfredo" unweigerlich an das Stammhaus in der Via della Scrofa denkt.
Im "Vero Alfredo" war ich noch nie; das muss ich an dieser Stelle gestehen.
Dennoch sollte diese Pasta endlich einmal im Blog vorgestellt werden, wie sich das für ein Blog aus Italien, aus Rom, gehört. Dafür war ein neuer Besuch des Restaurants unumgänglich - wohl wissend, was uns dort erwartete. Am skeptischsten war mein Mann!
Wir schreiben Anfang Februar, nicht unbedingt Hauptreisesaison. Aber dieses Ristorante war bis auf den letzten Platz besetzt. Und wir waren - so schien es - die einzigen "Römer"! Erwartungen voll eingetroffen! Übrigens ein Grund, warum wir in der Regel diese Art von Restaurants, die in jedem
schlechten Führer erwähnt werden, meiden. Denn selten kann man da kulinarischen Höhenflüge erwarten.
Es war übrigens mein dritter Besuch bei "
Alfredo alla Scrofa". Das zweite Mal, vor über 25 Jahren, wollte ich unbedingt meine Erinnerungen an den ersten Rombesuch auffrischen und schleppte meinen (zukünftigen) Mann in den Laden. Es hinterließ keinen Eindruck auf uns und geriet irgendwie in Vergessenheit, auch wenn ich öfters daran vorbeikomme.
Jetzt folgte der dritte Besuch; wir recherchieren ja schließlich ordentlich (wenn man davon absieht, dass ich das andere Restaurant immer noch nicht besucht habe)! Da saßen wir inmitten von Gruppen von Engländern, amerikanischen Ehepaaren, die sich über die Tische hinweg mit ihren Landsleuten unterhielten, und befreundeten Pärchen aus den Niederlanden - es herrschte babylonisches Sprachgewirr! Der sehr freundliche Kellner stellte erfreut fest, dass er sich mit uns auf Italienisch unterhalten konnte. Allerdings waren alle Angestellten auf (rudimentäres) Englisch getrimmt. Fast alles präsentierte sich wie vor vielen Jahren, nur den Kellnern hatte man ein moderneres Outfit verpasst. Schmunzelnd musst ich an die weißen Livree-Jacken denken, die noch in den neunziger Jahren üblich in den römischen Traditionslokalen waren.
Natürlich bestellten wir als
"Primo" die legendären Fettuccine - und sie waren gut, keine Frage! Dennoch blieb jenes Erweckungserlebnis des fernen Erstbesuchs aus, habe ich in der Zwischenzeit schon so viele gute Pasta gegessen.
Im Walzer-Rhythmus
Da dieses Gericht am Tisch fertiggestellt wird - in Italien spricht man bei diesem letzten Schritt von der
"Mantecatura" -, gab das mir die Gelegenheit, den Kellner etwas dazu auszuquetschen. Pasta all'uova, Butter, Parmesan - mehr braucht man nicht. Aber für das Gelingen sind das "Wie" und die Zutaten entscheidend.
An dieser Stelle ein kleines Video, das den Kellner in Aktion zeigt. Laut Mario Mozzetti, der in der Küche den Kochlöffel schwingt, sollte das im Walzer-Takt geschehen.* Aber seht selbst:
Und jetzt, meine Lieben, verrate ich Euch alle Tipps für die Zubereitung der einzig wahren
Fettuccine Alfredo!
Zutaten
(für zwei bis drei Personen)
Fettuccine
- 200 g Mehl (Farina 00), gesiebt + Mehl zur Verarbeitung
- 2 Eier
- 1 Prise Salz
- Salz für das Kochwasser
Dieses Gericht verlangt eine besonders zarte Pasta, wie bereits erwähnt, fühlt sie sich für mich wie Seidenpapier an. Deswegen lasse ich den gemahlenen Hartweizengrieß (Semola di grano duro rimacinata) dieses Mal weg. Dazu habe ich auch den Kellner befragt. Nur Mehl 00 - entspricht in Deutschland ungefähr dem Mehltyp 405 - kommt hier zur Verwendung. Dazu ganze Eier und eine Prise Salz.
Daraus bereitet man einen Pastateig zu: Mehl auf die Arbeitsfläche sieben, in der Mitte Platz schaffen für die Eier, etwas Salz dazu (kann man auch weglassen) und nun mit der Gabel erst die Eier verschlagen, dabei nach und nach das Mehl unterrühren. Zunächst mit den Fingerspitzen, dann mit den Händen zu einem geschmeidigen Teig verkneten, in Folie schlagen und mindestens eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen.
Aber besten gelingen die Fettuccine mit einem
Matterello (italienisches Nudelholz),; ich habe wie immer mit meiner Nudelmaschine gearbeitet. Den Teig portionsweise zunächst auf Stufe 0 mehrmals durchlaufen lassen, dabei von beiden Seiten immer wieder einschlagen und erneut durchlaufen lassen. Dann den Teig bis Stufe 7 ausrollen. Er ist dann durch die alleinige Verwendung von diesem Mehl sehr zart und dünn; eine höhere Stufe würde ich nicht empfehlen. Dann durch den Aufsatz für Tagliatelle drehen.
Die Kochzeit beträgt
höchstens ca. 50 Sekunden!
Mantecatura
- 50 g zimmerwarme Butter (original Butter aus den Langhe, einer Gegend im Piemont)
- 120 g Parmigiano Reggiano, 24 Monate gereift (meiner 26 Monate), sehr fein frisch gerieben
- Nudelkochwasser
Eine längliche Servierplatte erwärmen und die Butter in Flöckchen darauf verteilen.
Die Pasta kochen, möglichst portionsweise mit einer großen Gabel aus dem Kochwasser fischen und tropfnass auf die Platte geben.
Unbedingt das Nudelkochwasser aufheben!
Ich habe die Pasta abgegossen und tropfnass auf die Servierplatte gegeben.
Den sehr fein geriebenen Parmigiano darüber verteilen und mit Hilfe eines Löffels und einer Gabel alle Zutaten vermischen (Walzer-Takt nicht vergessen!), bis eine cremige Sauce entsteht. Dazu auch vorsichtig einen kleinen Teil des Kochwassers untermischen.
Und jetzt holt die goldenen Gabeln 'raus -
Buon appetito!
*Zitat aus: Sale&Pepe, Februar 2018
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Für was es wohl den "Sconto" von einem Euro gab? |
Ristorante Alfredo alla scrofa
Via della Scrofa 104a
00186 Roma
Tel.: 0039 06 68806163
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Il vero Alfredo
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Ariane