Samstag, 28. Oktober 2017

Das hätte Luther auch geschmeckt: Torta di auguri alle noci



Martin Luther ist - im Reformationsjahr - noch einmal nach Rom zurückgekehrt und hat damit das geschafft, was Mister Kick zur Fußball-Europameisterschaft vor einem Jahr nicht gelungen war. Was es mit Mister Kick und seiner misslungenen Reise auf sich hatte, das könnt Ihr hier und hier und hier  nachlesen.
Aber nun ist wenigstens der kleine Luther angereist - mit Peter persönlich; die Begegnung mit ihm und seiner Frau hat uns zusammen einen wunderbaren Rom-Tag beschert!
Das Thema, das sich Peter vom Blog Aus meinem Kochtopf in diesem Jahr ausgedacht hatte, ist durchaus anspruchsvoll und regt zum Nachdenken an. Am 31. Oktober feiert die evangelische Kirche den 500. Jahrestag des Thesenanschlags an die Schlosskirche von Wittenberg - und damit den offiziellen Beginn der Reformation.

Religion und Küche, so kann man das Thema des Blogevents in wenigen Worten beschreiben. Und damit ist nicht nur die christliche Religion und ihr Verhältnis zum Essen, zu Speisevorschriften und Festtagsgerichten gemeint. Peter möchte mit seinem Event Gerichte aus allen Ecken der Welt sammeln, die auf religiöse Traditionen zurückzuführen sind.
Ich war offen für alles, habe über jüdische oder auch muslimische Gerichte nachgedacht. An andere Religionen habe ich mich erst gar nicht herangewagt; zu gering waren da auch nur Grundkenntnisse.
Und so bin ich letztlich wieder bei der christlichen Religion gelandet - und in Italien!
Wer jetzt denkt, es komme ein Beitrag über ein katholisches Festtagsgericht, der könnte falscher nicht liegen. In Anlehnung an die legendären Einleitungsworte von "Asterix" will ich es mal umformulieren:

Ganz Italien ist von den Katholiken besetzt...Ganz Italien? Nein! Eine von frommen Waldensern bevölkerte Gegend im Piemont hört nicht auf, dem Katholizismus Widerstand zu leisten.

Das alles ist natürlich augenzwinkernd gemeint (und keinesfalls soll sich ein katholischer Christ hier  angegriffen fühlen), und seit den achtziger Jahren ist der Katholizismus auch keine Staatsreligion in Italien mehr. Natürlich wird auch kein Waldenser mehr in seiner Religionsausübung gehindert oder gar verfolgt. Aber das war nicht immer so.

Die Geschichte der Waldenser beginnt Ende des 12. Jahrhunderts in Frankreich, wo ein reicher Kaufmann aus Lyon namens Petrus Valdes eine himmliche Eingebung hatte (ich sehe da übrigens viele Parallelen zum Leben und Wirken des heiligen Franziskus von Assisi). Um Jesus zu folgen und als einzigen Weg, ewiges Heil zu erlangen, trennte sich Valdes von seinem Besitz und wurde zum Wanderprediger - wie viele seiner Gefolgsleute. Obwohl sie sich anfänglich noch als katholisch fühlten, waren die Aktivitäten der Waldenser der katholischen Kirche ein Dorn im Auge. Dort war es zum Beispiel keinem Laien erlaubt, zu predigen; das war das Vorrecht des Klerus. Auch waren die frühen Waldenser die ersten, die Teile der Bibel in die Landesprache übersetzten. Nicht umsonst nennt man die Waldenser auch die "Protestanten vor der Reformation".

Verfolgt und vertrieben fanden die Waldenser Anhänger nicht nur in Süddeutschland, Böhmen, Ungarn und sogar Spanien, sondern auch in Oberitalien (kleine Enklaven soll es sogar in Apulien und Kalabrien gegeben haben). Im 17. Jahrhundert wurden viele Waldenser allerdings wieder aus dem Piemont vertrieben, und nicht wenige flüchteten, wie auch die Hugenotten, nach Deutschland. Erst 1848, am 17. Februar, wurden den Waldensern in Italien Rechte wie Grunderwerb und freie Berufswahl zugesichert (was während der Jahre des Faschismus in Italien wieder eingeschränkt wurde). Der 17. Februar wird seitdem von den Waldensern als Festtag begangen.
Seit 1967 gehören die Waldenser gemeinsam mit den Methodisten und den Lutheranern dem Verband der evangelischen Kirche in Italien an.




Die Waldenser kennen keine strengen Speisevorschriften, aber das karge Leben in den Tälern bei Turin, den sogenannten Valli Valdesi, hat auch die traditionellen Gerichte geprägt. Das Getreide, das Gemüse, die Früchte - alle Speisen - , nichts war selbstverständlich, nichts wurde verschwendet, sondern man dankte Gott jeden Tag für sein "Manna", für seine Gaben, die zudem hart erarbeitet werden mussten. So war es angeblich verpönt, dass die Kinder bei Tisch um ein weiteres Stück Brot baten.
Aus den selbst angelegten Gärten kamen das Gemüse und die Früchte, auf den Wiesen pflückte man  Kräuter und Blumen, in den Wäldern sammelte man Beeren und Pilze. Ein einfaches Omelett mit  Feldblumen und Kräutern ergab schon eine kleine Mahlzeit. Auf den Höfen hielt man natürlich auch Nutztiere wie Gänse, Hühner, Kühe und Schweine.




Ganz untypisch für Italien war (und ist) die Sitte, am Nachmittag zum Tee zusammenzukommen. Im 18. Jahrhundert hatten Waldenser, die für eine begrenzte Zeit in England der Arbeit nachgingen und dann wieder zurückgekehrt waren, den Tee-Ritus in ihre Dörfer mitgebracht. In den Pfarrersfamilien wurde die Teestunde zudem auch zu einer kleinen Bibelstunde: Bevor man sich Tee und Gebäck zuwandte, wurde ein schwarzes Etui herumgereicht, in dem sich kleine Zettelchen mit Bibelsprüchen befanden. Die Damen zogen nun nacheinander die Zettelchen hervor und lasen die erbaulichen Texte laut vor.

Zu ganz besonderen Feiertagen wie Weihnachten gab es auch Gebäck, so eine Nusstorte, die sehr an das Schweizer Pendant der Nusstorte erinnert. In dem Kuchen steckte das Beste, was die Täler hergegeben hatten: Sahne, Butter, Honig und Nüsse. Dieser Kuchen hielt sich lange frisch, ja man konnte ihn sogar ein paar Tage in Papier eingewickelt aufheben und auf die Reise schicken, zum Beispiel zu den jungen Frauen, die ihre Heimat verließen, um als Gouvernanten bei anderen Familien ihr Brot zu verdienen. Dann wurde er nochmal kurz erwärmt, schmeckte wie frisch aus dem Ofen - und entfaltete zudem all die Aromen der Heimat.
Aus eigener Erfahrung kann ich nun sagen, dass diese Torta di auguri wirklich lange hält, immer besser schmeckt und ein wunderbares Mitbringsel zu Weihnachten sein kann. Und von einem bin ich auch überzeugt: Luther hätte diese Festtags-Torte auch geschmeckt, war er wohl nicht so sinnenfeindlich wie viele ihm nachfolgenden Protestanten.




Zutaten
(für eine Quicheform von 28 Ø)

Mürbeteig


  • 300 g Mehl, gesiebt + Mehl zum Ausrollen
  • 180 g kalte Butter + Butter für die Form
  • 1 Prise Salz
  • 120 g Zucker
  • 1 Ei


Aus allen Zutaten einen Mürbeteig herstellen und diesen in Folie gewickelt zwei Stunden in den Kühlschrank geben.


Füllung + Fertigstellung


  • 150 g Zucker
  • 200 g Walnusskerne
  • 100 ml Sahne
  • 20 g Butter
  • 2 El Honig
  • 2 El Zitronensaft
  • 1 Ei


Die Walnusskerne grob hacken.
75 g Zucker mit 2-3 El Wasser in einem kleinen Topf hellbraun karamellisieren. In einem zweiten Topf den restlichen Zucker mit der Sahne, der Butter, dem Honig und dem Zitronensaft aufkochen.
Den karamellierten Zucker dazugeben und nochmals kurz aufkochen lassen. Nun die grob gehackten Walnüsse hinzufügen. Die Masse etwas abkühlen lassen.
Den Backofen auf 190 Grad (Ober- und Unterhitze) vorheizen.
Die Quicheform mit etwas Butter ausstreichen.
Den Teig aus dem Kühlschrank nehmen und in zwei Teile schneiden. Eine Teighälfte auf etwas Mehl ausrollen und die Form damit auslegen. Die Nussfüllung daraufgeben und den restlichen Teig ausrollen (vorher etwas Teig abtrennen; man braucht ihn für die Verzierung).
Die Nussfüllung mit der Teigplatte bedecken. Teigreste ausrollen und Formen ausstechen. Den Kuchen damit verzieren.
Ein Ei verquirlen und die Teigoberfläche damit bestreichen.
Im Ofen ca. 45 bist 50 Minuten backen.




Quellen:
Treccani
Wikipedia
Gisella Pizzardi/Walter Eynard: La Cucina Valdese, Claudiana, Torino, 2006 (Rezept angelehnt an ein Rezept aus dem Buch)


Religionen der Welt kulinarisch – Reformationsjahr 2017


♥♥♥
Un abbraccio
Ariane
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