Vielleicht erinnern sich einige von euch noch an frühe Italien-Urlaube mit den Eltern; im Strandhotel mit Halbpension. Essen war nicht so wichtig, es zählte der Sommer, die Sonne und das Meer. Später kam bei mir noch die Begeisterung für die Kunst hinzu - alles das war für mich der Inbegriff von Italien! Wie gesagt: die kulinarische Seite spielte auch später in meiner Teenager-Zeit eine eher untergeordnete Rolle, obwohl ich schon damals vor allem Pastagerichte nicht verschmähte. Und dann kann ich mich an diese dünnen italienischen Kalbschnitzelchen erinnern, die so ganz anders waren als die heimischen mächtigen Koteletts, mit denen ich nie etwas anfangen konnte. Und ehrlich gesagt, ist das noch heute so. Diese hauchdünnen Schnitzel aß dann im Urlaub sogar mein Vater, der schon von Kindesbeinen an mit Fleischgerichten nichts anfangen konnte. Zwar war er kein Vegetarier, aber Fleisch gab es für ihn nur in bestimmten "Aggregatzuständen": Frikadellen nur aus reinem Tatar, Salami, aber keinen Schinken, Leberwurst, obwohl sonst kein Schweinefleisch. An Heiligabend Rinds- aber keine Fleischwurst - ja, er war schon heikel, was das Essen anbelangte - und eigentlich auch nur auf diesem Gebiet, da ein stiller und bescheidener Mann -, aber meine Mutter, eine gute Köchin, nahm es gelassen und verwöhnte ihn mit anderen Gerichten.
Nur mit Unbehagen könne er ein rohes Steak - ein totes Stück Fleisch - anfassen, erklärte mein Vater uns einmal, aber es mache ihm nichts aus, auch die blutigsten Wunden zu berühren; als Zahnarzt musste er das wohl auch öfters tun.
Noch immer sehe ich ihn im Hotel beim Abendessen, wo er dann mit viel Überwindung ein dünnes Kalbschnitzel verspeiste, das er vorher unter Unmengen von gemahlenem Pfeffer vergraben hatte. Am folgenden Tag orderte er dann meist wieder erleichtert ein Omelett.
Ja, diese dünnen Kalbschnitzelchen - die sogenannten Scaloppine! Ob "natur", mit Weißwein abgelöscht oder als "al limone" fehlten sie auf keinem Speiseplan der Urlaubshotels. Kulinarische Höhenflüge konnte man beim Hotelessen natürlich nicht erwarten. In Erinnerung geblieben sind blasse Fleischscheiben in einer blassen Sauce, belegt mit einer ebenso blassen Zitronenscheibe.
Ich habe mir nun dieses Gericht einmal vorgeknöpft, das, wenn sorgfältig zubereitet, eine wahre Delikatesse sein kann: leicht, aromatisch, nach Sommer schmeckend.
Warum von den Zitronen nur den Saft verwenden, dachte ich mir und kitzelte durch das Karamellisieren der Zitronenscheiben das volle Aroma aus den Früchten heraus. Von wegen: "blasse Zitronenscheiben", jetzt kann man die Zitronen, diese eigentlichen Protagonisten des Gerichts, mit "Haut und Haaren" genießen. Mit der Salznote der Kapern gehen sie eine unglaublich raffinierte Liaison ein.
Wer weiß, das hätte vielleicht auch meinem Vater geschmeckt.
Zutaten
(für zwei Personen)
3 dünne Kalbschnitzel
3 Zitronen, davon mindestens eine unbehandelt
1 El Kapern, in Salz eingelegt
1 El Mehl
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
1 Tl brauner Zucker
ca. 50 ml Limoncello, am besten selbstgemacht
Butter
Olivenöl extra vergine
Die unbehandelte Zitrone heiß abwaschen, trockentupfen und in dünne Scheiben schneiden.
In einer Pfanne einen Eßlöffel Butter mit einem Teelöffel braunen Zucker erhitzen, bis der Zucker zu karamellisieren beginnt. Die Zitronenscheiben in die Karamellmasse legen und leicht anbräunen lassen.
Die Schnitzel halbieren und mit einem Fleischklopfer noch dünner klopfen. Pfeffern, salzen und leicht mit Mehl bestäuben. Die Salzkapern gründlich abspülen, und die Zitronen auspressen.
Etwas Butter und Olivenöl in einer Pfanne erhitzen, und die Schnitzelchen von beiden Seiten gut anbraten. Aus der Pfanne nehmen. Bratensatz mit dem Limoncello ablöschen und den Zitronensaft sowie die Salzkapern dazugeben. Etwas einkochen lassen, dann die Schnitzelchen noch einmal im der eingedickten Sauce erwärmen. Zusammen mit den karamellisierten Zitronenscheiben servieren.
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Un abbraccio
Ariane