Gerade die einfachsten Dinge des Lebens verlangen oft die größte Sorgfalt. Das gilt für mich auch beim Kochen. Natürlich kann ich jederzeit auch eine Packung Spaghetti aufreißen, während auf dem Herd ein Tomatensugo vor sich hinköchelt - auf die klassisch-italienische Weise zubereitet, jenseits aller Moden. Irgendwo in meinem Blog gibt es auch ein Rezept dazu. Versteht mich nicht falsch: wenn ich wenig Zeit oder auch keine Lust verspüre, groß zu kochen, gibt es Spaghetti al sugo (oder al pomodoro - und nicht "Spaghetti Napoli"!) auch bei uns. Das ist einfache Küche. Jene einfach-ehrliche Küche, die ich niemals verschmähen würde.
Die traditionell einfache Küche Italiens lässt sich jedoch nicht mit einer Banalität aufpeppen. Schon gar nicht mit Zutaten, die im Gericht nichts verloren haben; da gibt es gerade in Italien viele Tabus. Zudem birgt es auch die Gefahr, den Focus hin zu verlagern auf irgendeine willkürlich hinzugefügte Komponente. Spaghetti al pomodoro, darauf noch einen Hühnerschlegel gepackt, bestreut mit Brotkrumen und gehackten Walnüssen, ertränkt mit Balsamico - dieses übertriebene Beispiel soll zeigen, wie aus einem einfachen und guten Gericht ein banales Gericht wird. Diese falsch verstandene Kreativität würde in Italien jedenfalls Naserümpfen hervorrufen, und auch aus meiner Perspektive ist es schwer nachzuvollziehen, warum man einen ehrlichen Teller Pasta so verschandeln sollte.
Keinesfalls meint aber einfache Küche gleichzeitig auch vereinfachte Küche. Vor einiger Zeit bin ich auf einer deutschen Seite über ein Rezept für Maritozzi gestolpert. Das sind bei uns in Rom weiche Rosinenbrötchen aus Hefeteig, die oben aufgeschlitzt und mit etwas Sahne bespritzt werden. Ich hielt den Atem an, als ich dort fertigen Blätterteig sah, der mit Mascarpone und Eierlikör gefüllt wurde. Das einzig Italienische daran war der Mascarpone...
Bin ich in all den nunmehr 26 Jahren doch sehr zur Italienerin geworden? Ich plädiere für selbstgemachte Pasta und selbst eingekochten Sugo, in der Saison aus frischen Tomaten zubereitet und mit einem Hauch Basilikum. Kein Origano, keine Kräuterorgien! Eine Knoblauchzehe vielleicht (!) - im Ganzen hinzugegeben und vor dem Servieren wieder entfernt; Knoblauchfahnen schätzt man in Italien nicht. Das ist einfache Küche, weit weg von der von mir so bezeichneten banalen Küche, wo eine sicherlich gut gemeinte Idee im Handumdrehen eines der ikonographischsten Gerichte der Küche Italiens zerstören kann. Das hat dann auch nichts mehr mit der in der gehobenen Gastronomie gefeierten Cucina rivisitata zu tun. Denn da werden die Klassiker völlig neu aufgebaut. Da ist Phantasie und Können gefragt.
Genau diese Sensibilität, feine Nuancen des oben Beschriebenen unterscheiden zu können, gehört zu den Fähigkeiten italienischer "Starköche". Das steht interessanterweise im Gegensatz zu dem, was viele italienische Gastronomen und Köche im deutschsprachigen Raum ihren Gästen bieten wollen, während sie es gleichzeitig als die "traditionelle" Küche Italiens anpreisen. Von Pasta als Beilage mag ich gar nicht erst reden. Vor ein paar Jahren stellte uns der Wirt in einem sardischen Restaurant in Frankfurt, das immer wieder in verschiedenen "Fressführern" lobend als besonders authentisch erwähnt wurde, ungefragt den selbstverständlich auch nicht bestellten Teller mit Spaghetti al pomodoro als Beilage zum Fleischgang auf den Tisch. Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht!
Wenn man dann bei einem Koch wie Niko Romito - sein Ristorante Reale in den Abruzzen hält seit 2013 drei Michelin-Sterne - in einem seiner Bücher nach einem Klassiker der Küche Latiums wie Pasta e Ceci sucht, erhält man ein - einfaches - Rezept. Ohne jegliches Chichi. Natürlich beschreibt er das Rezept sorgfältiger als mein aus den achtziger Jahren stammendes Büchlein - unbebildert und überhaupt wenig ansprechend, das Papier vergilbt - über die Küche Roms. Aber gerade diese unscheinbaren Büchlein, die ich mir in Rom nach und nach zugelegt habe - in all diesen Jahren von Mitte der Neunziger an -, zeigen mir die authentische Regionalküche, die allerdings wiederum einiges an Kochwissen voraussetzt. Was fehlt ist der ganze Hochglanz der vergangenen Jahrzehnte in der Welt des Kochbuchs. Keine Fotos, keine Mengenangaben - es liest sich, als habe tatsächlich eine Nonna oder eine Mamma ein Rezept für sich oder die Nachwelt aufgeschrieben, um mal ganz in den von mir so verhassten Klischees zu bleiben (von diesen Klischees ist noch zu schreiben, bleibt dran!).
Pasta e ceci also. Dieses einfache Gericht wird durch die Sorgfalt bei der Zubereitung, der Achtung vor der Tradition niemals eine banale Angelegenheit sein. Die Pasta selbstgemacht, aus Bio-Eiern und Bio-Mehl, die Kichererbsen nicht aus der Dose, sondern sorgfältig beim Einkauf auch nach Herkunft ausgewählt (aus dem toskanischen Val di Cecina), eingeweicht und mit Aromen vorgekocht. Ein unscheinbares Gericht, das keine Begeisterungsstürme hervorrufen wird. Das auch langsam aus den Ristoranti der touristischen Innenstadt verschwindet, als müsse man sich dafür schämen. Und doch kennt man es in vielen Regionen Italiens, allen voran in der Toskana, in Latium oder auch noch weiter südlich.
Hier nun das Rezept nach Niko Romito. Richtigerweise verwendet er für dieses Gericht keine Pasta all'uovo, sondern selbstgemachte Maltagliati nur aus Mehl und Wasser. Ich habe dagegen Eierpasta hergestellt. Sie lässt sich mit weniger Kraftaufwand kneten, zudem liebe ich ihren Geschmack.
Zutaten und Zubereitung
(für 2-3 Personen)
- 200 g getrocknete Kichererbsen
- 2 kleine Karotten
- 2 Stangen Sellerie
- 2 Zwiebel
- Olivenöl extra vergine
- ein Rosmarinzweig
- Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Am Vortag die Kichererbsen in einem Sieb waschen und in kaltem Wasser über Nacht (mindestens 12 Stunden, gerne auch mehr) einweichen.
Kichererbsen in ein Sieb geben und kurz abspülen. Eineinhalb Karotten und eineinhalb Selleriestangen sowie eine Zwiebel in grobe Stücke schneiden. Die Kichererbsen mit dem Gemüse und dem Rosmarinzweig in einen großen Topf geben und mit reichlich kaltem Wasser bedecken (das Verhältnis sollte ungefähr aus einem Teil Kichererbsen und zwei Teilen Wasser bestehen.
Zum Kochen bringen und dann zweieinhalb Stunden köcheln lassen. Die Kichererbsen sollen weich werden, das Wasser aber keinesfalls ganz verdampfen. Erst in der letzten Viertelstunde Salz hinzugeben.
Kichererbsen im Kochwasser etwas abkühlen lassen. Das verkochte Gemüse und den Rosmarinzweig entfernen.
Das restliche Gemüse und die übrige Zwiebel fein würfeln. In Olivenöl langsam anschwitzen.
Kichererbsen abgießen, dabei das Kochwasser auffangen.
Kichererbsen zu dem Soffritto in den Topf geben und kurz mitanschwitzen. Dann das aufgefangene Kochwasser hinzugeben und kurz aufkochen.
Ungefähr zwei Drittel der Kichererbsen mit etwas Flüssigkeit aus dem Topf nehmen und fein pürieren. Eventuell noch etwas Wasser hinzugeben. Wieder zu den übrigen Gemüse in den Topf geben.
Maltagliati
- 150 g Mehl, gesiebt
- 50 g Hartweizengrieß, gemahlen (Semola di grano duro rimacinata)
- 2 Eier
- etwas Salz
- wenige Tropfen Olivenöl extra vergine
Einen geschmeidigen Pastateig nach meinem
Grundrezept herstellen und in Folie gewickelt ruhen lassen. Dann den Teig mit Hilfe einer Nudelmaschine dünn auswälzen und die Nudelplatten mit einem Teigrädchen in unregelmäßige Streifen schneiden.
Die Maltagliati für 1 Minuten in kochendes Salzwasser geben. Abgießen und zu den Kichererbsen geben.
Vor dem Servieren mit Olivenöl extra vergine beträufeln.
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Rezeptquelle: Unforketable.it, La Cucina Italiana di Niko Romito a casa Tua,
Giunti Editore S.p.A., 2015