Lasst uns ein wenig über Zutaten reden. Ich konnte noch nie verstehen, dass eine "einfache" Insalata Caprese zu den beliebtesten italienischen Gerichten nördlich der Alpen gehört.
Das klingt jetzt erstmal wieder sehr provokant,
Warum ich das alles erzähle? Weil diese Regeln, vielleicht nicht ganz so streng, auch für Ricotta gelten.
"Du hast ja gut reden!" werden nun einige sagen. Ja - und nein...
Es ist nicht so, dass ich im absoluten kulinarischen Paradies lebe. Viele, auch einfachste Zutaten bekomme ich in Rom nicht oder nur selten. Und dann verhalte ich mich merkwürdig. Alle paar Wochen verirren sich seit einiger Zeit ein paar Töpfchen mit Crème fraîche ins Kühlregal eines Supermarktes in der Nähe. Nicht bei der Sahne/Milch/Butter-Ecke, sondern zwischen den Joghurt-Bechern. Ohne groß nachzudenken habe ich sie alle (zwei Töpfe) aufgekauft, ebenso die eine Sorte überteuerten französischen Billig-Camembert; man weiß ja nie, wann das wieder mal zu haben ist...
Ihr schüttelt den Kopf? "Was brauchst Du das? Du hast doch soviel feine italienische Spezialitäten", werdet Ihr sagen. Eine endlose Diskussion.
Nun muss ich endlich diese Crème fraîche verwenden, deren Verfallsdatum bedrohlich näher rückt, aber für das Rezept, das mir vorschwebt, brauche ich frische Feigen. Hurra, Feigenzeit in Italien, nur wo sind sie denn? Ach so, es ist August! Auf dem Campo de' fiori verkauft man Touristenkitsch. Kommende Woche wird es hoffentlich wieder besser.
Bin ich eigentlich zu negativ, wenn ich über mein Leben in Italien schreibe? Viele werden das insgeheim denken. Ganz am Ende, nach dem Rezept, habe ich dazu noch ein paar Gedanken formuliert, die ich unbedingt loswerden musste.Jetzt aber zunächst noch einmal zurück zu den Zutaten.
Wie gesagt: Was für die Mozzarella gilt, das gilt auch für die Ricotta. Nichts geht über die mild-aromatische Ricotta di pecora - die Schafskäse-Ricotta. Sie hat ganz und gar keinen strengen Nachgeschmack, wie man das vielleicht beim Stichwort "Schaf" vermuten könnte, vor allem aber fehlt ihr jene "mehlig-trockene" Konsistenz , die Ricotta aus den Plastiktöpfchen oft negativ auszeichnet.
Auch lose verkaufte Kuhmilch-Ricotta eignet sich hervorragend für diesen Strudel. Wer also einen italienischen Feinkosthändler kennt, der frische Ricotta verkauft, dem sollte man unbedingt einen Besuch abstatten.
Zutaten
Strudelteig
150 ml lauwarme Milch
280 g Mehl (Ausgangsbasis, je nach Größe des Eis eventuell mehr)
+ Mehl zum Ausrollen
1 Ei
2 El neutrales Pflanzenöl + Öl zum Bestreichen
1 Prise Salz
Aus den Zutaten einen Teig kneten, zunächst mit dem Knethaken, dann mit den Händen. Nach und nach soviel Mehl einarbeiten, bis man einen nicht mehr klebrigen, dennoch sehr weichen Teig in den Händen hält. Eine kleine Schüssel mit Öl ausstreichen, den Teig hineinlegen und nochmals mit Öl bestreichen. Mit Folie abdecken und an einem warmen Ort zwei Stunden ruhenlassen.
Füllung und Fertigstellung
450 g Ricotta di pecora (Schafskäse-Ricotta)
2 Eier
60 g Zucker
1 Vanillestange
1 Prise Salz
20 g Speisestärke
125 g Blaubeeren
40 g Butter
Puderzucker
Backpapier und Küchenhandtuch
Die Eier trennen. Eiweiße mit einer Prise Salz und einem Drittel des Zuckers sehr steifschlagen und bis zur weiteren Verwendung kaltstellen.
Die Eigelbe mit dem restlichen Zucker und dem ausgekratzten Mark der Vanilleschote hellgelb aufschlagen, dann die Ricotta hinzufügen und cremig rühren. Die Blaubeeren sowie das steifgeschlagene Eiweiß auf den Teig geben und die Speisestärke darübersieben. Alles vorsichtig mit einem Rührlöffel unter die Ricottamasse heben.
Die Butter zerlassen.
Ein Küchenhandtuch leicht bemehlen und den Strudelteig daraufgeben. Etwas Mehl auf den Teig stäuben und zunächst mit dem Nudelholz ausrollen. Dann die Hände mit dem Handrücken nach oben unter den Teig schieben und diesen vorsichtig ausziehen. Man sollte das Muster des Handtuchs durch den Teig erkennen können. Dickere Teigränder wegschneiden.
Die Ricottamasse auf dem Teig verteilen, dabei einen Rand lassen; der obere Rand sollte dabei etwas breiter sein. Ränder mit zerlassener Butter bestreichen.
Mit Hilfe des Tuchs den Strudel aufrollen, dabei die Seiten etwas einschlagen.
Dann den Strudel ebenso mit Hilfe des Tuchs auf das mit Backpapier ausgelegte Blech heben - "Nahtseite" nach unten.
Mit der restlichen Butter bestreichen und 35-40 Minuten backen.
Ausgekühlt mit Puderzucker bestäuben.
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Bin ich eigentlich zu negativ, wenn ich über mein Leben in
Italien schreibe? Viele werden das insgeheim denken, was mir ein wenig Sorgen macht. Aber es ist schwierig zu erahnen, was manche zwischen den Zeilen herauszulesen meinen.
Neulich habe ich einen unsäglichen Artikel entdeckt mit dem Titel: „Was wir
von den Italienern lernen können“. Darf man sich wirklich zu den Italophilen rechnen, wenn man verzückt dabei nickt? Der Italiener, so werde ich belehrt, sitzt ab 17.30 Uhr bei Aperol Spritz
auf der Piazza, während der arme Autor - stellvertretend für den gestressten deutschen Mann -, wenigstens im Urlaub der Dolce vita
frönen darf und dabei an sein hartes Leben nördlich der Alpen denken muss.
"Während der Deutsche nach Feierabend noch seine Buchshecke trimmt, den Rasen mäht und sicherstellt, dass die makellose Fassade des Eigenheims auch makellos bleibt, setzt sich der Italiener ohne Umwege auf den pinienvernadelten Bordstein, an seine unsauber verputzte Hauswand, trinkt einen Aperol Spritz und freut sich des Lebens. "...
... "Denn auch mein Weg führt vom Office directamente in den Supermarkt, zur Post, zum Sport."
Haha, da würde der gute Mann schon an der Post hier
scheitern, geschweige denn, dass er alles das an einem Abend auf die Reihe
bekäme! Und dann diese Bemerkung: "an seine unsauber verputzte Hauswand..."
Lieber Autor, der durchschnittliche Italiener sitzt oft bis
neun Uhr abends im Büro! Auch am Freitag! Und in einer Stadt wie Rom hockt er
nicht nachmittags auf der Piazza und trinkt Aperol, sondern quält sich nach
einem Arbeitstag nach Hause - im Auto oft über eine Stunde im Stau, denn die
Dreimillionestadt Rom hat gerade mal zweieinhalb Metrolinien zu bieten.
Übelst setzt der Autor diesem noch einen drauf:
"Eigentlich sehnen wir uns doch alle nach diesem Gefühl. „Nach mir die Sintflut, vor mir der Aperitivo.“ Manchmal frage ich mich, ob all die historischen italienischen Stadtkerne wirklich so historisch sind. Vielleicht sind die Häuser allesamt keine hundert Jahre alt. Vielleicht priorisiert der Italiener einfach anders. Besser? Lebensbejahender? Ganz nach dem Motto: „Soll mein Haus doch marodieren – solange der Putz nicht in meinen Aperol hineinbröckelt lässt sich das verschmerzen.“*
Wer darin eine Lobpreisung Italiens, der Italiener und deren
Lebensstil sieht, dem unterstelle ich nur eine Haltung, die in diesem Spruch
zum Ausdruck kommt.
"Die Italiener schätzen die Deutschen, aber sie lieben
sie nicht. Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie schätzen sie
nicht."
Wir lieben und schätzen unsere italienische Freunde, ich
bewundere die Italiener wegen ihrer Geduld in den alltäglichen Dingen, ihres
großen Herzens, das sie in Zeiten der Not zeigen. Wie leider in diesen Tagen
nach dem grauenhaften Erdbeben. Da zeigen viele ihre wahre Größe!
Ich denke, damit ist alles gesagt.
♥♥♥
Un abbraccio
Ariane