Lorenza de' Medici, Kochbuchautorin, Fernsehköchin und Veranstalterin von Kochkursen, trägt einen großen Namen und ist dadurch auch bestens mit der italienischen Aristokratie vernetzt. Für sie öffnen sich Türen, die dem Reisenden sonst verschlossen bleiben.
Die Autorin nimmt ihre Leser an die Hand auf eine Tour durch die schönsten Palazzi und Anwesen der italienischen Regionen, führt sie in die Küchen und bittet nachher zu Tisch. Dabei plaudert sie aus ihrer Kindheit, erzählt von der österreichischen Köchin ihrer Familie, deren üppige "preußische" Küche keinen Beifall in der Familie fand, bis endlich Anna kam, eine junge Frau aus dem Veneto, der die junge Lorenza dann die Familienrezepte vermitteln musste. Das mag alles in einer aus unserer mitteleuropäischen Sicht etwas abgehobenen, "aristokratischen" Weise geschildert sein, spiegelt aber auch die heutige italienische Gesellschaft wieder, die ich von persönlichen Erlebnissen her aus als eine sehr in Traditionen und Förmlichkeiten verwurzelte kennengelernt habe.
Lorenza de' Medici unterscheidet nicht nur zwischen den einzelnen Regionalküchen, sondern stellt auch die Cucina Povera der Cucina Alto-Borghese gegenüber:
"Dabei galt meiner Meinung nach der bemerkenswerte Popularitätsanstieg in den letzten zehn Jahren hauptsächlich der verfeinerten Cucina Povera, während die Cucina Alto-Borghese nahezu unbekannt blieb."
Die einzelnen Kapitel, die zwölf Regionen Italiens gewidmet sind, beginnen jeweils mit einer Vorstellung des Schauplatzes, etwa der Geschichte eines Landsitzes und den Menschen, die darin ihr Leben verbracht haben, dem Klima und der Fruchtbarkeit einer bestimmten Gegend oder etwa der Beschreibung eines besonderen Anlasses, zu dem ein bestimmtes Menu zusammengestellt wurde. Dann folgen die Rezepte.
In der Präsentation der Gerichte merkt man dem Buch allerdings an, dass es doch etwas in die Jahre gekommen ist. Hier fehlt mir eine gewisse Frische und ein kreatives Händchen für das Anrichten. Aber auch das ist Italien; hier deckt man konservativst die Tische ein.
So sehr schweift die Autorin allerdings an vielen Stellen in ihren Adelsgeschichten ab, dass sie den Leser dabei aus den Augen verliert. Um nur ein Beispiel zu nennen: wer kann schon mit dem Titel eines Menüs etwas anfangen, das sich Menü für Neapel neunundneunzig nennt? Hier wäre eine kleine Erklärung fällig gewesen, dass diese Bezeichnung auf eine Kulturstiftung zurückgeht, die Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre Monumente in Neapel restauriert und das Bewusstsein für die vielen Kulturschätze in Neapel geschärft, in dem sie unter anderem auch "Tage der offenen Tür" (Napoli Porte Aperte) initiiert hatte.
Auch die Rezepte selbst müssten dringend überarbeitet werden, so ist die klassische sizilianische Cassata kein "Halbgefrorenes", sondern eine Ricottatorte, die auch folgerichtig als eine solche abgebildet wurde.
Trotzdem bleibt das Buch für mich ein Juwel in meiner Sammlung, weil es, wie schon eingangs erwähnt, einen anderen Weg wählt, italienische Esskultur zu vermitteln. Und die abgebildeten Landschaften, die herrlichen Anwesen und prachtvollen Palazzi bleiben abseits aller modischen Strömungen zeitlos schön.
In diesem Sinn ist das auch mein Beitrag zum Event "Jeden Tag ein Buch - die Bloggerthemenwoche von 8. bis 14 Juni 2013", den Arthurs Tochter in den vergangenen Tagen ins Leben gerufen hatte.
Hier geht es um das Genussbuch, und ein solches ist trotz einiger Mängel "Die Renaissance der italienischen Küche" auf jeden Fall! Jeden Tag eine Rezension zu schreiben ist zwar eine schöne Idee, aber ich bin froh, schon einen Beitrag habe liefern zu können!
Hier gibt es eine Zusammenfassung der bis jetzt erschienenen Artikel.
Ungeplant dagegen war, etwas aus dem Buch nachzukochen, aber wie es der Zufall will, suchte ich noch eine Beilage. Das folgende ist ein sehr einfaches, ja fast bäuerliches Rezept, das trotzdem Eingang in das Buch gefunden hatte.
Seit über zwanzig Jahren steht nun dieses Buch in meinem Regal, aber bis zum heutigen Tag hatte ich noch nie etwas daraus gekocht, sondern - zum Genuss - nur darin geschmökert.
Patate all'alloro
- 7 kleine ungeschälte Kartoffeln,
- 7 frische Lorbeerblätter
- Salz, frisch gemahlener Pfeffer
- Olivenöl extra vergine
Die Karoffeln gut waschen, dann in jeder Kartoffel einen tiefen Einschnitt vornehmen, in den jeweils ein Lorbeerblatt gesteckt wird. Die Kartoffeln salzen und pfeffern, in eine feuerfeste Form legen, mit Olivenöl begiessen und bei 180 bis 200 Grad ungefähr eine Stunde im vorgeheizten Ofen backen.
Und was es als Hauptgericht dazu gab, das verrate ich morgen...
Lorenza de' Medici: Die Renaissance der italienischen Küche, Wilhelm Heyne Verlag, München 1989
♥♥♥
Un abbraccio
Ariane
Das ist eines meiner Lieblingskochbücher!
AntwortenLöschenEs begleitet mich schon so lange, und auch ich möchte es nicht mehr missen.
LöschenSaluti
Ariane
Schön wie Du das Buch vorgestellt hast. Ich denke aber, dass Deine vielen wunderbaren Reiseberichte und kulinarischen Einsichten mir bis jetzt mehr Einblick in die italienische Küche gegeben haben als jedes italienische Kochbuch, das ich je in den Händen gehalten habe. Du hast ein wirkliches Talent zu schreiben und könntest selbst ein tolles Kochbuch herausbringen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße und einen schönen Sonntag.
Anna
Danke, liebe Anna, für dieses Riesenkompliment! Da werde ich ja ganz rot :-) Ich berichte ja auch oft von meinen persönlichen Erlebnissen und hoffe, es wird meinen lieben Lesern manchmal nicht zu viel. Aber fängt man erst einmal an zu schreiben ....:-)
LöschenItalien ist aber eben manchmal auch so ganz anders, als es das übliche Bild vermittelt und oft so widersprüchlich. Das macht es aber auch so spannend.
Saluti
Ariane