In Sizilien liebt man die Kombination aus Semmelbröseln, Rosinen und Pinienkernen, jene raffiniert-süßliche Mélange, die typisch für viele Spezialitäten der Insel ist und die in der arabisch-nordafrikanischen Küche ihre Wurzeln hat. Sarde a Beccafico heißt dort ein beliebtes Fischgericht, bei dem die Sardinen mit einer Mischung aus Semmelbröseln, Rosinen, Kräutern und Pinien gefüllt und aufgerollt werden. Für den seltsamen Namen dieses Gerichtes - a Beccafico - gibt es gleich mehrere Erklärungen. Beccafico, so heißt auf italienisch die Gartengrasmücke, ein kleiner Singvogel, der auf den Tafeln des Adels einst als eine Art "Fingerfood" sehr beliebt war. So füllte man oftmals nicht nur Fisch, sondern eben auch diese kleinen Vögelchen mit der Semmelbrösel-Mischung. Sympathischer ist doch gleich eine andere Deutung dieser ungewöhnlichen Bezeichnung "a beccafico", in der der Name des Vogel selbst steckt (Beccare = picken [becco = Schnabel], fico = Feige.): So gut seien diese gefüllten Sardinenhäppchen, dass die gierigen Esser es den kleinen Singvögel nachmachten, die unablässig ihre Mägen mit Feigen vollstopften. "Uno tira l'atro" ("das eine zieht das andere nach sich"), so sagt man in Italien, wenn man nicht zu naschen aufhören kann. Der "Chipseffekt" sozusagen!
Nicht nur die Fische sind bei dem hier vorgestellten Gericht davongeschwommen, auch die Vögel sind weggeflattert. "Cucina fujuta" (fuggita - "geflohen") nennt man in der neapolitanischen Tradition jene Arme-Leute-Küche, bei denen das teure Fleisch oder der Fisch - auf den Tafeln der Aristokratie einstmals selbstverständlicher Bestandteil jeder Mahlzeit - weggelassen wurde. So gibt es zum Beispiel Pasta al sugo di pesce fuggito (da ist der Fisch "geflohen"), bei dem der Meeresgeschmack durch das Auskochen von am Strand aufgelesenen (leeren) Muschelschalen und Steinen "imitiert" wird, oder Polpette (Fleischbällchen), die nur aus Brot bestehen. Ragù alla carne fujuta kennt man heute auch außerhalb Italiens als "Gemüsebolo", auch wenn ich diese deutsche Bezeichnung - "Bolo" - ganz schrecklich finde. In diesem raffinierten kleinen Kunstgriff, sich ein Gericht vorzugaukeln, das man sich eigentlich nicht leisten kann, steckt für mich ganz viel neapolitanische Volksseele - ein Stück Improvisation, aber auch ein Stück Galgenhumor.
Die sizilianische Spezialität Melanzane di beccafico präsentiert sich hier in einer veganen Version. Keine Mozzarella, kein Parmigiano lenken hier von den Aromen ab, wie das so oft bei Gerichten "al forno", also aus dem Ofen, der Fall ist, bei dem eine Käsesorte zum Überbacken verwendet wird. Jeder kennt sicher eines der bekanntesten Gerichte mit Auberginen, die im Ofen mit Mozzarella und Parmigiano gebacken werden, die Parmigiana di Melanzane.
Natürlich kann man auch andere Kräuter in die Füllung schmuggeln; ganz klassisch wird sie mit glatter Petersilie. Aber auch Thymian oder Basilikum und auch ein Hauch von Knoblauch - warum auch nicht - können die Füllung verfeinern.
Interessant aber fand ich bei dieser Version die üppige Verwendung von frischem Lorbeer, den man allzu oft vergisst, wenn man über die italienische Küche und die viel zitierten "italienischen" Kräuter spricht und damit meist Rosmarin, Basilikum und vor allem das maßlos überschätzte Oregano in Verbindung bringt. Denn Italien ist :
"...das Land, wo die Zitronen blühn,Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht..."
Zutaten
(für 2-3 Personen)
2 längliche Auberginen
100 g Semmelbrösel
2 El Pinienkerne
2 El Sultaninen/Rosinen
1 Zitrone
3 El Olivenöl extra vergine
hoch erhitzbares Pflanzenöl, z.B. Erdnussöl,
zum Ausbraten der Auberginen
frische Lorbeerblätter
Salz, frisch gemahlener Pfeffer
Rosinen in warmem Wasser einweichen, Pinienkerne in einer beschichteten Pfanne rösten.
Die Auberginen der Länge nach in Scheiben schneiden und diese portionsweise in heißem Pflanzenöl von beiden Seiten anbraten. Die Scheiben bis zur weiteren Verwendung zwischen Lagen von Küchenpapier schichten.
Den Backofen auf 180 Grad (Ober- und Unterhitze) vorheizen.
Die Semmelbrösel mit dem Olivenöl in einer Pfanne hellbraun rösten. Einen Esslöffel davon abnehmen und zur Seite stellen. Den Rest mit dem Saft einer Zitrone, den Pinienkernen und den ausgedrückten Rosinen vermischen. Kräftig mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Auf jede Auberginenscheibe etwas von der Füllung geben, diese dann aufrollen und in eine mit etwas Olivenöl gefettete feuerfeste Form schichten. Mit den restlichen Semmelbröseln bestreuen und zwischen den Auberginenröllen Lorbeerblätter verteilen.
Für 15 Minuten in den vorgeheizten Ofen schieben.
Nicht zu heiß servieren.
Am nächsten Tag haben die kalten Reste sogar noch besser geschmeckt!
Quelle: Sale e pepe, Juni 2015
Goethezitat aus: Wilhem Meisters Lehrjahre, Hamburger Ausgabe Band VII, C.H. Beck, München, 1982
♥♥♥
Un abbraccio
Ariane
Auf diesen Lorbeeren ruht es sich bestens :-)
AntwortenLöschenTanti saluti da Zurigo,
Andy
Das haben sich die Auberginen wohl auch gedacht... :-)
LöschenSaluti
Ariane
interessant, was du über die Arme-Leute Küche schreibst; vom Auskochen von Steinen aus dem Meer habe ich aus Kroatien auch gelesen.
AntwortenLöschenDein Rezept klingt sehr gut, frischen Lorbeer hätte ich sogar auf dem Fensterbrett. Ich mag zwar Rosinen nicht, aber so wie bei den eingelegten Sardinen sind sie wohl für die süßliche Komponente wichtig, ich gebe sie danach meist weg ;-)
lg
Das ist interessant, dass man das auch in Kroatien kennt! Da ich ja keinen Fisch esse, würde ich das direkt mal ausprobieren.
LöschenRosinen in herzhaften Gerichten (Curries!) mag ich dagegen sehr. :-)
Saluti
Ariane
Danke für dieses interessante Gericht und noch viel mehr ein herzliches "Dankeschön" für Deine Erläuterungen und Erklärungen dazu!
AntwortenLöschenHach, wo bekomme ich nur auf der Stelle frische Lorbeerblätter her?
Vielleicht sollte ich versuchen, Lorbeer als Kübelpflanze zu ziehen - also im Winter ins Haus oder in den Keller damit...
Auf alle Fälle möchte ich die `Melanzane a beccafico´ gerne einmal selber zubereiten :-)
Liebe Grüße
Elena
Schön, wenn Du das sagst, liebe Elena! Manchmal habe ich die Befürchtung, ich schreibe zuviel um ein Rezept "herum". Aber gerade die Herkunft einer Spezialität finde ich so spannend.
AntwortenLöschenWie gesagt, wenn Du Lorbeer nicht bekommst, kannst Du es natürlich auch mit getrockneten Blättern versuchen - oder eben die Füllung mit anderen Kräutern aromatisieren. Ein Lorbeerbäumchen - ich weiß nicht, ob man da nicht wegen "Zierlorbeer" aufpassen muss, der winterfest ist - wäre sicher eine auch hübsch anzusehende Lösung.
Saluti
Ariane
Mal schauen ob ich Lorbeer kriege- zwei längliche Auberginen liegen nämlich schon in der Küche!
AntwortenLöschenDann drücke ich die Daumen bei der Suche - sonst bleiben ja die kräuterigen Alternativen :-).
LöschenSaluti
Ariane