Mittwoch, 18. April 2018

Luftpost aus Frankfurt und eine Rarität aus Venedig: Grüne Sauce ("Grie Soß"), weißer Spargel und in Butter geschwenkte Mini-Kartoffeln



Das hätte fast schiefgehen können! Da saßen wir noch in Venedig, als das Handy von meinem Mann klingelte. Neugierig lauschte ich den Wortfetzen, die ich hier auf Deutsch widergebe: "Oh... ja, wir sind gerade in Venedig, später noch Treviso  ... Du bist gerade in Rom? ... Morgen ... wo... wie  ... wann..." Als ich langsam zu ahnen begann, um was es ging, stieg leichte Panik auf. Wird die "Ware" halten, buchstäblich nicht schlappmachen? Ihr ahnt es schon, da hatte jemand ein Päckchen Kräuter für Grüne Sauce im Gepäck. Eine italienische Kollegin meines Mannes, die in Frankfurt arbeitet und für einen Termin nach Rom geflogen war, hatte die legendäre Kräutermischung über die Grenzen geschmuggelt. Ein ganz liebe Geste, hatte ich ihr doch vor einiger Zeit von diesem Traditionsgericht aus Frankfurt ber. Die deutsche Küche - jenseits von "Wurstel con crauti" - wird sie hoffentlich an ihrem neuen Arbeitsplatz noch ein wenig lieben lernen.

Um es kurz zu machen: Die Kräuter haben den Transport überlebt  - wenn auch leicht schwächelnd -, und zusammen mit einer anderen Rarität - dem weißen Spargel - hatten wir nach unserer Rückkehr nach Rom ein geradezu exotisches Abendessen.
In den vergangenen Jahren habe ich nichts unversucht gelassen, um die sieben Kräuter für die Grüne Sauce zu ergattern. Seit jeher war Grie Soß in meiner Familien nicht nur das traditionelle  Karfreitagsessen, sondern das Frühlingsgericht überhaupt. Ein, zweimal hatte ich mir die Kräuter auch aus Frankfurt nach Rom mitgebracht. Immer wieder hatte ich darüber hinaus an mehreren Marktständen mein Glück versucht - mit dem flehendsten Augenaufschlag der Welt: "Könnten Sie mir nicht diese Kräuter auf dem Großmarkt suchen?" fragte ich mit ganz traurigem Blick, um die Dringlichkeit zu unterstreichen. Nach großen Versprechungen folgte stets die Enttäuschung; diese Kräuter, die doch so exotisch wirklich nicht sind, seien nicht aufzufinden, hieß es dann. Ich habe immer wieder experimentiert mit dem, was der römische Markt so hergibt - von Rughetta bis Basilikum (übrigens gibt es hier auch nur glatte Petersilie zu kaufen). Meine "Campo de'fiori-Grie Soß", nannte ich das Ergebnis. Sooo schlecht war es manchmal gar nicht, aber kein Vergleich natürlich zum Original!



Der legendäre Kräuterbund


Leicht zerdrückt nach dem Transport...

Pimpinella|Borragine|Cerfoglio|Crescione|Prezzemolo (riccio)|Erba cipollina|Acetosa
Pimpernelle|Borretsch|Kerbel|Kresse|krause Petersilie|Schnittlauch|Sauerampfer

...aber immer noch erstaunlich frisch!


In Frankfurt selbst gibt es diese typischen rollenförmigen Kräuterpäckchen von ca. 200 g, die man stets erwartungsvoll auseinanderrollt. Die zwei existentiellen Fragen sind dann: Sind die Kräuter noch frisch, und wie wird die Zusammensetzung dieses Mal sein? Je nach Jahreszeit oder Wetterbedingungen kann es da schon mal Ungleichgewichte geben, die Kenner herausschmecken.
Mein Bund (Kritikpunkt: Petersilien-Overkill) hatte den doch längeren Transport gut überstanden; schwächelnde Blätter habe ich kurz in kaltes Wasser gelegt.
Die zweite Schwierigkeit für die Herstellungen der Sauce nach Originalrezept ergibt sich bei der Suche nach Saurer Sahne. In den vergangenen Jahren war es fast unmöglich, sowohl Saure Sahne als auch Crème fraîche in Rom aufzutreiben. Was sollte man damit auch in der italienischen Küche anstellen? Mittlerweile aber gibt es in meiner Nähe einen Bio-Supermarkt, der viele deutsche Produkte führt. Zwar nicht immer gibt es diese frischen Milchprodukte zu kaufen, aber ich lege mir davon ab und an Vorräte für "schlechte" Zeiten an. Bei solchen "exotischen" Erzeugnissen heißt die Devise: Mitnehmen, auch wenn man gerade keine Verwendung dafür hat; so stelle ich mir die Einkaufssituation in der alten DDR vor...
Saure Sahne! Wer für die Saucenbasis zur Mayonnaise greift, begeht ein ähnliches Sakrileg wie bei der Verwendung von Sahne für die Spaghetti alla C. - na, Ihr wißt schon!
Womit wir bei der Herstellung selbst sind. Ein Mixer ist verpönt; was einem originalen Pesto sein Mörser, ist der Grie Soß ihr Holzbrettchen und Wiegemesser; da bin ich als escht Frankfordder Mädsche kompromisslos. Die Kräuter dürfen nicht so totgemixt werden, dass die Sauce zum Schluss wie eine grüne Suppe aussieht, was oft im Mixer passiert - Fotos davon kursieren im Internet. "Kräuter-Fetzchen" müssen dagegen noch immer erkennbar sein. Auch sollte das Ergebnis weder zu dünnflüssig sein, noch einer dicken Pampe ähneln!


Holzbrettchen und Wiegemesser!



Tja, und dann lachte mich bei einem Rundgang in Venedig kurz vor der Abreise noch ein Bund weißer Spargel an! Da konnte ich nicht widerstehen. Weißer Spargel aus Norditalien, aus der Gegend um Verona oder Padua, schafft es leider auch selten bis nach Rom.
Er hat nicht wirklich einen festen Platz in der italienischen Küche, wenn man vom Norden des Landes absieht, und so konnte ich in einer italienischen Kochzeitschrift auch schon mal ein Rezept mit weißem Spargel lesen, bei dem nicht darauf hingewiesen wurde,  diesen auch zu schälen. Wen wundert es da, dass er damit keine neuen Fans gewinnen kann...


Gesehen und gekauft! 

Ich glaube, der alte Goethe hätte während seiner Romaufenthalte gestern gerne bei mir am Tisch gesessen...





Zutaten
(für 2-3 Personen)


  • 1 Kräuterbund für Grüne Sauce, ca. 200 g, ersatzweise die Kräuter (siehe oben) einzeln zusammenstellen
  • 1-2 hartgekochte und kleingehackte Eier
  • 200 g Saure Sahne
  • 1-2 El Crème fraîche
  • eventuell etwas Buttermilch
  • 1 Tl Dijon-Senf
  • Zitronensaft
  • Salz, frisch gemahlener weißer Pfeffer


  • 1 kg weißer Spargel
  • Salz
  • ein wenig Zucker
  • 1 El Butter


  • 1/2 kg kleine Kartoffeln
  • Salz
  • 1 El Butter


Zunächst die Saucenbasis herstellen. Dafür die Saure Sahne mit der Crème fraîche und dem Dijon-Senf verühren. Gewürzt wird später.
Die Kräuter waschen, harte Stiele entfernen und trockenschleudern.
Mit dem Wiegemesser auf einem Holzbrettchen fein zerkleinern. Schnittlauch erst in Röllchen schneiden, dann noch einmal mit dem Wiegemesser darübergehen.
Die gehackten Kräuter zu der Saucenbasis geben, die kleingehackten Eier dazugeben und mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronensaft abschmecken. Ist die Sauce noch zu dick, kann man wenig (!) Buttermilch unterrühren.

Spargel waschen, schälen und in Salzwasser mit der Butter und etwas Zucker garkochen.

Die Kartöffelchen unter fließendem Wasser säubern, in  kaltem Salzwasser aufsetzen, garkochen und dann abgießen. Butter in einer Pfanne aufschäumen  und die Kartoffeln kurz darin schwenken.



♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

4 Kommentare:

  1. KÖSTLICH :-) !
    Mit einem Schmunzeln lese ich Deine Schilderung bzgl. der Grünen Soße.
    Ich bin gerade dabei, hier in Ostfriesland auf dem Wochenmarkt alle erforderlichen Kräuter dafür zu "sammeln", dann werden wir auch an der Nordseeküste (wo ich fast nichts vermisse) Grüne Soße genießen können.
    Liebe Grüße,
    Margot

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    1. Schön aber, dass man Grie Soß über die hessischen Grenzen hinaus mittlerweile kennt. Meinem Mann, der aus Bayern kommt, war diese Spezialität lange Zeit kein Begriff.
      Jetzt aber scheint diese Sauce sogar einen Art Kultstatus zu besitzen.

      Saluti
      Ariane

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  2. ...und wieder eine interessante Geschichte über das tägliche Leben in Rom, danke dafür, auch für das Rezept der grünen Soße, die auch bei uns nicht wirklich bekannt ist, lg aus Wien

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    1. Ich glaube, Du hast aber in Wien mehr Glück beim Zusammenstellen der Kräuter. Ein Gericht zieht langsam hinaus in die Welt... ;-)

      Saluti
      Ariane

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