Freitag, 31. Mai 2013

Ich hab's euch gesagt!



Wenn es eine Hit-Liste der witzigsten Restaurantnamen gäbe, stünde diese Osteria  an zweiter Stelle: "Flavio al Velavevodetto" (Flavio im "Ich hab's Euch gesagt"). Nebenbei bemerkt: Für mich steht allerdings immer noch unangefochten auf Platz Eins "Giulio passami l'olio" (Giulio, reich' mir das Öl herüber). So heißt eine andere römische Kneipe.
In solchen Bezeichnungen steckt viel vom römischen Volkscharakter, der ziemlich direkt und durchaus auch etwas derb sein kann.
Aber wie kam es nun zu diesem Namen?
"Eines Tages eröffne ich ein Restaurant!" so die Worte des ehemaligen Besitzers, eines Versicherungsvertreters, gegenüber seinen Freunden. Diese hatten auf seine Ankündigung hin stets nur gelacht und gesagt, das würde wohl nie geschehen. Doch der Mann verwirklichte seinen Traum und streckte seinen Zweiflern im Geiste schon mit dem von ihm gewählten Restaurantnamen die Zunge heraus: "Ich hab's Euch gesagt!"
Mittlerweile hat die Osteria einen neuen Besitzer, den ehemaligen Koch namens Flavio, und da die Römer ein abergläubiges Völkchen sind, änderte er auch nicht den Namen des Lokals. Das bringe nämlich Unglück, so erzählte man dort. Nur seinen eigenen hat der Koch dann doch noch dazugesetzt.
Direkt am Testaccio-Hügel liegt diese Osteria. Dieser mit Bäumen und Sträuchern bewachsene Hügel, der diesem Stadtteil seinen Namen gab, ist nichts anderes als ein antikes Sondermüll-Lager. Tausende von Scherben - testae - haben sich in Hunderten von Jahren zu einem Hügel aufgehäuft. Unweit lag einst der Hafen der Stadt, hier kamen in der Antike die Waren wie Getreide oder Olivenöl aus den südlichen Provinzen an. Natürlich gingen ab und an die Gefäße, die Krüge und Amphoren, mit denen diese Waren transportiert wurden, kaputt - und landeten schließlich alle auf dem immer mehr in die Höhe und Breite wachsenden Hügel. Angeblich sollen hier die Überreste von ungefähr 53 Millionen Amphoren liegen.
In zwei der Gaststuben, die zum Teil in den Tuffstein hineingebaut wurden, gewähren große Glasfenster direkte Einblicke ins Innere des antiken Scherbenhaufens. Zwischen all den Jahrtausende alten Schichten liegen noch immer Teile der antiken Amphoren.





Die Speisekarte dieser Osteria mit dem so deftig-barocken Namen liest sich typisch römisch. Hier findet man jene Spezialitäten, die dem Besucher durchaus auch etwas Mut abverlangen und die mit Sicherheit in keinem der schicken "In-Italiener" nördlich der Alpen zu finden sind: Neben Trippa (Kutteln) gibt es auch Coratella: Das sind Innereien wie Lunge, Teile der Speiseröhre, Herz und Milz von Lamm, Kaninchen oder auch Geflügel, die entweder frittiert oder auch langsam mit Zwiebeln geschmort werden.




Die römische Küche kennt viele solcher einfachen Gerichte, die nicht aus den edlen Teilen der Schlachttiere zubereitet werden. Und hier, im Testaccio-Viertel, sind diese Gerichte auch einst entstanden. Dort befand sich der Schlachthof, in dessen Hallen - heute unter dem Namen "Macro" - zeitgenössische Kunst in wechselnden Kunstausstellungen präsentiert wird. Die Schlachthausarbeiter durften früher zusätzlich zu ihrem Lohn die unverkäuflichen Teile der Tiere wie Innereien mit nach Hause nehmen, die nie auf den Tischen des römischen Adels, der Geistlichkeit oder des Bürgertums landen würden. Den Quinto Quarto - das fünfte Viertel - nannte man das. Die Frauen der Arbeiter bereiteten dann mit viel Phantasie jene Gerichte zu, die heute als die wahren Vertreter der römischen Küche gelten und die man heutzutage auch in den gehobenen Restaurants der Stadt für zum Teil teures Geld auf den Speisekarten finden kann.




Bei Flavio bekommt der Gast einen schönen Einblick in diese authentische römische Küche. Natürlich sind schon bei den Primi, den Pastagerichten, die allseits bekannten Klassiker vertreten: alla Matriciana, alla Gricia, alla Carbonara...
Fritto Misto, in Teig ausgebackenes Gemüse, Polpette al sugo, auch deftige Fleischgerichte wie Spanferkelkeule, Ochsenschwanz, Steaks und Involtini (Rouladen) dürfen nicht auf der Karte fehlen. Die Dolci sind wie gewohnt schlicht: Schokoladenkuchen, Crostata di Ricotta (Ricottakuchen), Apfeltarte oder Tiramisu.
Das Weinangebot ist ordentlich, allerdings gibt es keine Weinkarte, sondern man bittet den Gast, sich  seinen Wein aus einem nach Regionen und Weinsorte geordneten Regal auszusuchen.

Für alle, die jetzt vom Schlemmen in der Ewigen Stadt, dort, wo sie am römischsten ist, träumen, hier ein ebenso schlichtes wie authentisches Pastagericht - einfach, schnörkellos und gut!




Spaghetti cacio e pepe
(für 2 Personen)


  • 250 g Spaghetti
  • 110 g Pecorino Romano, der mit der schwarzen Rinde, frisch gerieben
  • grobes Salz für das Nudelwasser
  • und ganz viel frisch gemahlener schwarzer Pfeffer


Für dieses klassische Pastagericht nehme ich, anders als bei  Flavio, Spaghetti und keine Tonnarelli. Die Verwendung von Tonnarelli für dieses Gericht, so konnte ich lesen, sei eine neumodische Erfindung, denn sie eigneten sich auf Grund ihrer eher allzu porösen Konsistenz nicht für diesen "Sugo", da sie ihn zu sehr aufsaugten.
Man sieht, Italiener können selbst aus der Zubereitung von Pastagerichten eine Wissenschaft machen und nehmen es sehr genau mit ihrem Allerheiligsten!
Also gibt es bei mir ganz einfach Spaghetti!




Diese werden in ordentlich gesalzenem Wasser al dente gekocht und danach tropfnass in eine Schüssel gegeben. Die Pasta darf auf keinen Fall zu abgetropft sein, zusätzlich noch das Nudelkochwasser aufheben! Unter die heiße Pasta hebt man nun den geriebenen Pecorino und etwas Pfeffer, und zwar so lange, bis eine Cremina dabei entsteht. Dazu braucht man etwas Geduld und Fingerspitzengefühl. Eventuell muss man noch etwas vom heißen Nudelwasser hinzufügen oder auch noch von dem Käse. Es wird behauptet, niemandem gelinge dieses Gericht beim ersten Mal perfekt...
Zum Schluss nochmals frisch geriebenen schwarzen Pfeffer über die Pasta streuen - und damit nur nicht geizen!



Flavio al Velavevodetto
Osteria Tradizionale
Via di Monte Testaccio 97
Rom
Tel.: 065744194
Home





Kochrezepte Basar -teilen,inspirieren,stöbern,entdecken- immer Freitag bis Sonntag - tobias kocht!



♥♥♥
Un abbraccio
Ariane

12 Kommentare:

  1. Lecker und unter uns sind immer noch Mitreisende, die jeden Tag Cacio e Pepe essen möchten.

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    1. Naja, jeden Tag wollte ich das nicht essen. Das ist nämlich doch sehr üppig und würde sich dann direkt auf den Hüften niederlassen ;-) und Italien will man ja auch "Bella figura" machen ...;-)
      Saluti
      Ariane

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  2. Wow! Das war ja wieder ein toller Bericht! Da möchte man ja am liebsten gleich dort sein und sich das mit eigenen Augen ansehen. Lustig die Geschichte mit der Entstehung des Namens. Frage: Schrecken die Italiener eigentlich nie ihre Sphagetti mit kaltem Wasser ab? Interessant, dass da kein Tropfen Olivenöl dazu kommt. Ich werde sie auf jeden Fall einmal so ausprobieren. Danke für das ausführliche Rezept.

    Liebe Grüße
    Anna

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    1. Also - das Abschrecken mit kaltem Wasser ist eher unüblich. Gerade auch bei diesem Gericht, da ja die Stärke - und auch die Stärke im Nudelwasser - zusammen mit dem Käse diese Art "Käsecrème" entststehen lassen soll. Ich habe noch bei keinem Gericht gelesen, dass man die Pasta abschrecken soll.
      (Aber in diesem Zusammenhang mit kaltem Wasser fällt mir noch ein anderer kleiner Trick ein: Da die Pasta ja exakt "al dente" sein soll, kann man den Kochvorgang abrupt unterbrechen, indem man eine Tasse kaltes Wasser in den Nudeltopf schüttet.)
      Deine Frage zu dem Olivenöl finde ich im Zusammenhang mit diesem Gericht interessant.
      In der Regel wird niemals Olivenöl ins Kochwasser gegeben. Die Oberfläche der Pasta würde dadurch "versiegelt" und kann so den Sugo nicht mehr richtig aufnehmen. Deshalb ist ja auch Pasta von sehr guter Qualität leicht porös, was entsteht, wenn man sie durch Bronzeformen presst. Selbst wenn ich Pasta fredda - italienischen Nudelsalat - zubereitete, schütte ich die Pasta ab und lasse sie erst einmal erkalten. Sicher klebt sie dann etwas zusammen, aber sobald die anderen Zutaten und vor allem das Olivenöl dazukommen, trennt sie sich wieder.
      Nun habe ich gestern erstmals in einem Rezept zu "Cacio e pepe" gelesen, dass man da ausnahmsweise auch etwas Olivenöl ins Kochwasser geben kann. Aber das hängt nur mir dieser speziellen Zubereitung der Käsemischung zusammen.
      Ich habe es dann doch gelassen, da auch die meisten Rezepte zu diesem Gericht Olivenöl nicht erwähnen.
      Saluti
      Ariane

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  3. Oh, war das ein schöner Bericht, der glatt das sch... Wetter bei uns ein wenig vergessen lässt. Vor einiger Zeit hat ein römischer Pater dieses Gericht im Fernsehen gekocht - seither ist es unser liebstes "Fast-Food" ;-)
    LG Doris

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    1. Tröste Dich - hier ist das Wetter grauenhaft. Seit über hundert Jahren, so hörte ich im Radio, hat es in Italien keinen so kalten und verregneten Mai mehr gegeben.
      Wenn's schnell gehen soll, ist diese Pasta wirklich perfekt!
      Saluti
      Ariane

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  4. Schöner und interessanter Bericht!! Ich selbst mag solche Innereien ja nicht..., aber der Testaccio ist faszinierend!!
    Sag, diese Glaswände, wo man direkt in den Scherbenhaufen schauen kann, sind die in der neuen Ostaria Flavio... oder in welchem Lokal? Den Hügel selbst (oben) kann man ja, glaub ich, nicht besichtigen oder man würde gar nichts Besonderes sehen...
    lg

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    1. Innereien brauche ich wirklich auch nicht. Und ja, diese Glaswände sind direkt im diesem Restaurant mit dem witzigen Namen :-).
      Ich glaube, auf dem Hügel selbst kann man nicht herumkrabbeln, und es ist ja auch wirklich nicht so viel zu sehen. Auf dem ersten Foto mit dem Restaurant sieht man ihn ja im Hintergrund. Aber das ganze Viertel ist noch sehr urig - natürlich auch etwas touristisch mit vielen Restaurants.
      Saluti
      Ariane

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  5. Also, wenn ich irgendwann mal nach Rom kommen sollte, dann will ich da unbedingt hin!!! Vielen Dank für diesen schönen Bericht.

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    1. Leider habe ich bislang noch nicht viel zu typischen römischen Restaurants geschrieben. Das liegt auch daran, dass wir es vorziehen, lieber "auf's Land" zu fahren, wenn wir mal auswärts essen gehen wollen.
      Von dieser Osteria waren wir positiv überrascht; dort stimmt auch das Preis-Leistungsverhältnis.
      Viele Restaurants der Innenstadt sind allzu touristisch und überteuert.
      Saluti
      Ariane

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  6. Ich freue mich über deinen Blog, diese Verbindung zu Rom! Die Spaghetti cacio e pepe habe ich nach meinem letzten Rombesuch auch gemacht, und diese "cremositá" wie ich sie dort genossen habe, habe ich nicht sofort hingekriegt. Wird natürlich weiter probiert.

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    1. Dann nochmals: Benvenuta! :-)
      Diese "Cremosità" ist in der Tat nicht so ganz leicht hinzubekommen, aber man muss eifrig rühren, unterheben, rühren.... Erst sah es auch bei mir so aus, als klappe es nie. Mit etwas Geduld entstand dann doch diese Crema. Aber wie ich schon schrieb, man sagt ja, niemande, gelinge das gleich perfekt.
      Saluti
      Ariane

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