Obwohl die Pastiera ein klassischer Osterkuchen ist, findet man sie ganzjährig in den Auslagen der "Pasticcerie" von Neapel. Um die Herkunft der neben dem Babà und den Sfogliatelle wohl berühmtesten Spezialität, die man in Konditoreien der parthenopäischen Metropole finden kann, ranken sich viele mehr oder weniger fromme Legenden.
Erste Vorläufer dieses Kuchens findet man bereits in der Antike, wo die Römer mit den "Cerealia" genannten Festlichkeiten die Rückkehr des Frühlings feierten. Schon in der Bezeichnung steckt der Hinweis auf das Getreide; Ceres war die Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit. Ihre Heimat soll Sizilien gewesen sein, die "Kornkammer" der Magna Craecia.
Auch der Brauch, zu Hochzeitsfeierlichkeiten mit Ricotta gefüllte Brote den Gästen darzubieten, lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen.
Zur Zeit Konstantins wurden in der Osternacht Teigfladen unter den Gläubigen verteilt, und damit wurden heidnische Bräuche in die christlichen Ära weitergereicht, wobei die Grenzen zwischen heidnischen und christlichen Traditionen fließend sind: Opfergaben wie Milch, Getreide und Eier sind Symbole des Reichtums, der Fruchtbarkeit und des Wiedererblühens allen Lebens im Frühling - im christlichen Sinne aber auch der Auferstehung.
Eine eher volkstümliche Geschichte über die Entstehung dieses Kuchens erzählt uns diese Legende: Um ihren Männern eine glückliche Rückkehr zu wünschen, brachten die Frauen der Fischer an einem Abend dem Meer Opfergaben dar: Körbe voller Ricotta, kandierter Früchte, Weizen, Eier und Orangenblüten. Als die Frauen am Morgen wieder zum Strand liefen, um ihre Männer zu empfangen, hatten die Wellen des Meeres während der Nacht die Zutaten vermischt, und in den Körben befanden sich Kuchen: die Pastiere!
In Wahrheit ist dieser Kuchen, so wie wir ihn heute kennen, sicher in einem der unzähligen Klöster von Neapel entstanden. Von einer Nonne ist da die Rede, die in einem abgeschiedenen Kloster außerhalb der Stadt den Kuchen mit Orangenblüten parfümierte und Weizenkörner unter die Ricotta mischte. Zwischen den 18. und 19. Jahrhundert wurde das Rezept für die Pastiera im Kloster von San Gregorio Armeno weiter entwickelt und stellt sich erstmals so dar, wie wir es heute kennen. Allein der Teig, den man damals für die Pastiera zubereitete, die sogenannte "Pastaccia", bestehend aus Mehl, Eiern, Wasser, etwas Salz und Schmalz, hat heutigen Vorlieben für einen klassischen Mürbeteig mit Butter weichen müssen.
Die Pastiera, so sagt man, kann jedem ein Lächeln entlocken.
Selbst die griesgrämige Frau des Bourbonenkönigs Ferdinands II., Maria Theresia von Österreich, sah man nach dem Genuss eines Stückchens dieses Kuchens zum ersten Mal in der Öffentlichkeit lächeln, was ihr Mann mit folgenden Worten kommentierte:
"Per far sorridere mia moglie ci voleva la Pastiera, ora dovrò aspettare la prossima Pasqua per vederla sorridere di nuovo."¹ ("Um meine Frau zum Lächeln zu bringen, brauchte es die Pastiera. Jetzt muss ich die nächsten Ostern abwarten, um sie wieder lächeln zu sehen.")
Zutaten (für eine flache Backform/Quicheform von 28 cm Ø)
Mürbeteig
- 250 g Mehl + Mehl zum Ausrollen
- 1 Ei
- 60 g Zucker
- 125 g kalte Butter
- 1 Prise Salz
- 1 El kaltes Wasser
Das Mehl in eine Schüssel sieben, eine Prise Salz hinzufügen in die Mitte eine Mulde drücken und das Ei sowie das Wasser hineingeben. Die eiskalte Butter in Flöckchen auf den Rand setzen und den Zucker darüberstreuen. Alles zu einem glatten Teig verkneten und diesen, in Folie gewickelt, mindestens für eine halbe Stunde in den Kühlschrank legen.
Füllung
- 415 g vorgekochte Weizenkörner*
- 100 ml Milch
- 30 g Butter + Butter für die Form
- Abrieb eine unbehandelten Zitrone (aus eigenem biologischen Anbau :-) - mein Bäumchen produziert im Durchschnitt pro Saison 4-5 Zitronen)
- 300 g Ricotta di pecora (Schafskäsericotta)
- 3 Eier
- 100 g Zucker
- 1 Tl Zimt
- 60 g kandierte Früchte (ich habe Orangeat und kleingehackte Zitronatzitronen verwendet)
- 20 ml Orangenblütenwasser
- Puderzucker
Den Backofen auf 180 Grad (Ober- und Unterhitze9 vorheizen und die Backform mit Butter ausfetten.
Die vorgekochten Weizenkörner mit der Milch, dem Zitronenabrieb und der Butter aufkochen und zehn Minuten köcheln lassen.
Die Eier trennen und die Eiweiße sehr steif schlagen.
Die Ricotta mit dem Zucker, dem Zimt, den Eigelben, den kandierten Früchten und dem Orangenblütenwasser gut verrühren. Dann die vorbereiteten Weizenkörner hinzufügen.
Den Eischnee auf die Masse geben und vorsichtig unterheben.
Zwei Drittel des Teiges ausrollen und die Form damit auslegen. Mit einer Gabel mehrmals einstechen und dann die Füllung auf dem Teig verteilen.
Den restlichen Teig ausrollen und mit einem Teigrädchen Streifen für das Teiggitter, mit dem der Kuchen bedeckt wird, ausschneiden.
Den Kuchen für eine Stunde in den vorgeheizten Ofen geben.
Nach dem Abkühlen mit Puderzucker bestäuben, genießen - und lächeln!
*In Italien findet man ganzjährig vorgekochte Weizenkörner für die Pastiera in den Läden. Alternativ kann man frische Weizenkörner nehmen, die dann drei Tage lang in Wasser eingeweicht werden müssen; dabei das Wasser morgens und abends erneuern. Am letzten Tag werden die Weizenkörner noch einmal gründlich abgespült und mit frischen Wasser in einen Topf gegeben (1 Liter Wasser pro hundert Gramm Weizenkörner) und aufgekocht. Eine Viertelstunde lang ohne Umrühren köcheln lassen, abgießen und mit der heißen Milch aufkochen (andere Quellen sprechen von bis zu einer Stunde Kochzeit, bis die Körner weich genug sind, um weiterverarbeitet zu werden).
Wer keine Weizenkörner findet, der kann stattdessen auf in einer Mischung aus Wasser und Milch gekochten (Rundkorn-)Reis zurückgreifen.
Pastiere im Gran Caffè Gambrinus in Neapel |
Meine Quellen:
(1) Luciano Pignataro, I dolci Napoletani, Newton Compton Editori
La grande cucina: Torte, Sonderausgabe des Corriere della sera, 2004
L'Italia dei dolci, Slow Food Editore, 2003
♥♥♥
Un abbraccio
Ariane
Das Stückchen Pastiera, welches ich vor Jahren in Napoli auf einem Markt probieren durfte, fand ich reichlich... ähem.. nicht so gut. Deine sieht viel appetitlicher aus. Würde sicher auch mit Dinkelkörnern funktionieren, die hätte ich nämlich noch da. Kann es sein, dass ich in Italien schon mal vorgekochten Farro im Glas für Pastiera gesehen habe? Oder täusche ich mich?
AntwortenLöschenGanz liebe Grüsse
P.S. Ich bin seit Weihnachten glückliche Besitzerin von "L'Italia del pane" und kann es kaum erwarten, mir das Dolci-Buch aus dieser Reihe zuzulegen.
Ich kann verstehen, was Du meinst. So manche Pastiera ist etwas trocken; bei meinem ersten Versuch vor Jahren fand ich sie auch nicht so gelungen. Heute habe ich den Anteil an Ricotta erhöht - und vor allem frische Schafsricotta genommen. Der ist unvergleichlich gut, nicht zu vergleichen mit den abgepackten Produkten aus dem Kühlregal. Dieses Mal ist die Pastiera richtig saftig geworden.
LöschenVorgekochten Farro habe ich jetzt noch nie gesehen, immer nur diese Weizenkörner. Aber vielleicht gibt es ja auch den.
Wie gesagt: es gibt auch Pastiera di riso, wenn man diese Körner nicht findet.
Dein neues Buch ist sicher interessant. Diese Slow-Food-Bücher sind doch toll, ich besitze ein paar aus dieser Reihe (das über Brot leider nicht). Aber über Weine, Käse, eines allein über Mozzarella...
Viel Spaß bei der Lektüre! :-)
Saluti
Ariane
Das ist ja ein sehr ausgefallenes, interessantes Küchlein. Alleine die Sache mit den eingeweichten Weizenkörnern muss ich gleich einmal ausprobieren. Ricotta hatte ich in der Toskana täglich gemacht und ab Haus verkauft, aber hier bekomme ich sehr schwer an Ricotta. Da muss ich mir was einfallen lassen. Ansonsten entlockt mir dieser Kuchen schon beim Lesen des Rezeptes ein Lächeln. Orangeat, Zitronat...
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Anna
Selbstgemachte Ricotta - ich beneide Dich! Es wäre schade, wenn Du nur dieses abgepackte Produkt aus dem Kühlregal bekämst. Es macht schon einen Riesenunterschied aus. Diese Ricotta di pecora ist so fluffig und irgendwie "rund" im Geschmack. Ich backe auch einfachen Ricottakuchen nur noch mit dieser Sorte.
LöschenZu den Weizenkörnern. Über wie lange sie letztlich kochen müssen, damit sie weich sind - so wie im fertigen Produkt, das man hier kaufen kann -,gibt es unterschiedliche Angaben, habe ich noch gelesen. Da ist von einer Viertelstunde bis zu einer Stunde die Rede. Ich habe es selbst noch nie ausprobiert, wollte Dir das aber noch als Info mitteilen.
Saluti
Ariane
Danke für den Zusatztipp mit dem Weizen. lg Anna
Löschenein Lächeln? Ja, bloss meines ist etwas gequält, weil ich bloss das Bild anschauen kann ... lechz!
AntwortenLöschenLiebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Da hilft nur eines, Andy: Nachbacken! :-)
LöschenSaluti
Ariane
Ganz schön hübsch geworden, ich dachte ehrlich erst, dass du etwas vom Konditor fotografiert hast!
AntwortenLöschenProbieren würde ich das gerne mal, momentan stelle ich mir die Weizenkörner darin sehr ungewohnt vor :-)
:-) Den habe ich schon selbst gebastelt :-)
LöschenIch besitze übrigens so eine Quicheform mit herausnehmbarem Boden. Das macht den Rand so hübsch. Es erfordert etwas Übung, ihn dann auf die Platte zu setzen. Dafür gibt es einen Trick.: Die Kuchenform auf eine umgedrehte Schüssel setzen, die im Durchmesser etwas kleiner als die Kuchenform ist. Dann den Rand der Form herunterdrücken. Der Kuchen sitzt jetzt noch auf dem kleineren Boden der Kuchenform, der Rand schwebt frei. Dann mit mit Hilfe eines Kuchenhebers auf die Kuchenplatte transportieren.
Die Weizenkörner sind ja ziemlich weich, wenn der Kuchen dann fertig ist. Im Prinzip ist es ein Ricottakuchen, bei dem man manchmal auf weiche Weizenkörner beißt.
Freut mich, wenn Dir das Ergebnis gefällt :-)!
Saluti
Ariane
So sieht natürlich die Pastiera einer Könnerin aus. Deine ist wirklich sehr hübsch geworden! :))
AntwortenLöschenAlso, ich finde Deine einfach wunderschön! Und sie sieht auch viel authentischer - wie in Neapel - aus, weil Du diese Puderzuckerschicht weggelassen hast. Auf jeden Fall hat sie mir richtig Appetit gemacht! :-)
LöschenSaluti
Ariane