Dienstag, 24. August 2021

Mit einem Hauch von Sizilien: Polpettone ai pistacchi


Kaum in Deutschland angekommen, habe ich mich auf die abenteuerliche Suche nach italienischen Supermärkten und Läden gemacht. Das sollte mich auch etwas von der traurigen Situation ablenken. Ich fühlte mich auf einmal fremd im eigenen Land, da doch Italien mir in den vielen Jahren zur Heimat geworden war. Essen ist ein Stück Heimat, heißt es ja, und so kann schon ein Teller mit einem einfachen Pastagericht unglaublich tröstend sein. Noch immer im Umzugsstress und mit Bergen von auszupackenden Kartons, die sich im neuen Zuhause stapelten, schleppten wir uns eines Abends in ein italienisches Restaurant. Einfach mal abschalten, ein Glas Wein trinken und Trostpasta bestellen. Um es kurz zu machen: ich bekam die mieseste Amatriciana meines Lebens vorgesetzt. Zwischen verkochter Pasta tummelten sich hauchdünne Scheiben von labbrigem Speck. Das ganze wurde in einer Tomatensauce (ich vermeide hier die Bezeichnung Sugo) ertränkt, die -  wohl direkt aus der Flasche kommend, fast glaubte ich ein "Plopp" vernommen zu haben -  nur kurz erhitzt wurde. Der Padrone war nett, wir sprachen italienisch miteinander, deswegen spendierte er uns auch noch zwei Gläschen Grappa, wir sagten nichts, zahlten und gingen.

Natürlich habe ich - dem Internet sei Dank - mal ein wenig die italienischen Restaurants hier studiert, das heißt die Speisekarten. Von Rechtschreibfehlern abgesehen (Ruccola [sic!], Lasagne de ...[sic!], orrechhiette [sic!] ), Pizza Vegetable [sic!]), wenn selbst teure Ristoranti im begehrten Frankfurter Westend-Viertel ihre Antipasti einfallslos mit Insalata Mista und gegrilltem Gemüse (und natürlich Burrata! Burrata ist das neue Mozzarella di bufala) beginnen und mit Dolci wie Tiramisu und Panna Cotta abschließen - von Tortellini in Schinken-Sahne-Sauce ganz zu schweigen -, dann haben manche wohl keine Phantasie oder irgendeine Entwicklung (Stichwort: Cucina rivisitata) verpasst! Die meisten Gastronomen hier sind leider keine Botschafter einer der besten Küchen der Welt! Peccato! Italien hat Regionen, carissimi! Und jeder Region hat ihre Spezialitäten! Capito?! 

Glücklicherweise gibt es für das Selberkochen italienische Supermärkte. Auch wenn Produkte von Marken angeboten werden, die ich in Italien noch nirgends gesehen habe - und ich bin nicht nur in Rom in Läden und auf Märkte zum Einkaufen und Stöbern gegangen! Aber in der Not... Ich habe wenigstens bei einem meiner ersten Einkaufsrunden schöne Tropea-Zwiebel - einen ganzen Zopf - gefunden und dann auch gleich Konfitüre daraus gekocht. Die gekaufte Mozzarella war meist nicht mehr frisch, das musste ich leider öfters feststellen. Aber da bin ich auch sehr verwöhnt. Wer einmal "kuhwarme" Mozzarella di bufala probiert hat, wird das verstehen. Wie man hier zu einem vor Verzückung die Augen verdrehenden Mozzarella-Fan werden kann, ist für mich deshalb kaum nachvollziehbar angesichts der angebotenen Qualität und mangelnden Frische. Auch verstehe ich nicht, dass man die (italienischen) Verkäuferinnen und Verkäufer geradezu anbetteln muss, sie mögen doch bitte etwas Molke mit in die Tüte geben. In Italien war das eine Selbstverständlichkeit.




Nach längerer Pause nun also zurück auf dem Blog! Als erstes Gericht gibt es  hier - nein - keine Pasta (auch wenn ein Pastagericht das erste war, das ich in meiner neuen Küche gekocht habe), sondern einen Hackbraten. Polpettoni erfreuen sich in Italien großer Beliebtheit. Mein ehemaliger Metzger am Campo de' fiori hatte stets eine reiche Auswahl an fertigen Hackbraten in Aluschalen und kleinen Hackklößchen in den Auslagen, die sich gerade am Wochenende großer Beliebtheit erfreuten - so mein Eindruck. Da wollte man nicht lange in der Küche stehen oder das Hausmädchen hatte auch mal frei. Um es vorweg zu nehmen: diese Polpettoni schmeckten exakt nach nichts! Selbst hatte ich zwar niemals so ein Teil gekauft - allein die blasse Farbe (zu viel Semmelbrösel?) schreckte mich ab -, aber diverse Exemplare von Nachbarn und Bekannten vorgesetzt bekommen. Mit den besten Absichten! Egal ob mit Artischocken, eingelegten Pilzen oder Zucchini, die man irgendwie in den Fleischteig eingearbeitet hatte - die Dinger waren einfach nur fade und schmeckten ungewürzt. Oft, das musste ich immer wieder mit Erstaunen feststellen, liebt man in Italien gerade diese geschmacksneutralen Zubereitungen. Ja nicht zu scharf durfte es sein (ich lasse jetzt mal Kalabrien außen vor, dort liebt man eine gewisse Schärfe)!  Bei Einladungen habe ich stets darauf geachtet und sparsam gewürzt. Knoblauch war ebenfalls ein "No-Go"! Ich jedenfalls liebe gut gewürzte Hackfleischgerichte, für mich darf es auch sehr pikant sein! 

Stichwort Sizilien. Das einzig Sizilianische an diesem Hackbraten versteckt sich im Fleischteig. Aus Italien hatte ich mir noch Pistazien aus Bronte mitgebracht, einem Städtchen in Sizilien, das für die Qualität seiner Pistazien berühmt ist. Ja, und eigentlich trifft es auch den italienischen Geschmack, denn mir war der Hackbraten ein fast zu milder Gaumenschmaus. Unsere italienischen Freunde hätte ich jedenfalls glücklich damit gemacht! Leider konnte ich für das Rezept nicht die fettere und aromatischere Ricotta Romana aus Schafsmilch auftreiben. Sicherlich hätte diese dem Fleischteig eine gewisse Saftigkeit geschenkt, die ich beim Rezept leider etwas vermisst habe. Aber an Rezepten kann man ja noch arbeiten, und vielleicht erhasche ich demnächst - irgendwo hier - auch wieder meine geliebte Ricotta di pecora




Zutaten und Zubereitung


  • 250 g Kalbshackfleisch
  • 250 g Hackfleisch gemischt (Rind und Schwein)
  • 250 g Ricotta - möglichst aus Schafsmilch
  • 60 g Parmigiano Reggiano, frisch gerieben
  • 50 g ungesalzene und geschälte Pistazien, grob zerkleinert
  • Thymian (frisch oder gerebelt)
  • Salz, frisch gemahlener Pfeffer
  • frisch geriebene Muskatnuss
  • 20 g Butter
  • ca. 300 ml Gemüsebrühe
  • Backpapier und Küchengarn


Drei Eier 7 Minuten kochen, abschrecken und schälen.
Alle Zutaten bis auf die Pistazien, die Butter und die Gemüsebrühe miteinander vermengen und kräftig mit den Gewürzen und Kräutern abschmecken.
Den Backofen auf 180 Grad (Ober- und Unterhitze) vorheizen.

Den Fleischteig auf einem Stück Backpapier mit den Händen zu einem ca. 1 cm dicken Rechteck drücken. Mit den gehackten Pistazien bestreuen. Die Eier nahe der längeren Seite auflegen und dann den Teig mit Hilfe des Backpapiers fest aufrollen. Die Enden mit Küchengarn verschließen. 

Die Rolle in eine Auflaufform legen und mit einer Nadel mehrmals einstechen. Die Butter in Flöckchen darauf verteilen und die Brühe angießen.
Für 50 Minuten in den vorgeheizten Ofen geben. 

⚜⚜⚜

Rezeptquelle: Sale&Pepe, Mai 2021


Italien auf unserer Terrasse






9 Kommentare:

  1. Fühle mit dir, cara Ariane. Nicht unterkriegen lassen – irgendwo schlummern gute Produkte und warten darauf von dir entdeckt zu werden. In bocca al lupo!

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    1. Crepi! Ich suche weiter! Und wie ich weiter suche!

      Saluti
      Ariane

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  2. Hallo Ariane,
    in Deutschland angekommen, ist es vermutlich erst einmal ein Kulturschock, wenn man aus Italien kommt. Dann hier dasselbe zu suchen, was man Jahrzehnte gehabt hat, ist immer unmöglich. Das haben wir selbst nach einigen Umzügen in Deutschland erlebt.
    Unser Fazit: Nach vorn schauen !
    Dein Rezept liest sich für mich wieder einmal gut und die Ausführungen über italienische Produkte in Deutschland lassen mich jetzt noch genauer hingucken, was ich in italienischen Geschäften bei uns einkaufe.

    Es braucht einfach Zeit in einer neuen Umgebung und wenn man solch eine schöne Terrasse hat in der Umgebung einer deutschen Großstadt(ich vermute mal Frankfurt), kann man heute dankbar sein.
    Liebe Grüße und weiterhin gutes Einleben wünscht Euch
    Biggi

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  3. Hallo Ariane,
    tja, so ist das hierzulande... Ich fühle mit Dir und uns allen geht's irgendwie so. Kaum ist man in Deutschland, ist Pasta keine Vorspeise sondern Hauptgericht, usw.usf.
    Ich drücke Dir die Daumen, dass Du doch noch ein Restaurant in der Nähe findest. Selberkochen ist ja zum Glück eine Option.
    Liebe Grüße
    Barbara

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    1. Hallo Barbara, ja, zu Hause wird weiterhin italienisch gekocht! Ich gestehe, ich gehe aber auch gerne mal zum Ebbelwoi! Bin halt doch ein Frankfodder Mädsche!

      Saluti
      Ariane

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  4. Hallo Biggi,
    ja, wer sind wieder zurück in meiner Heimatstadt Frankfurt. Ein Kulturschock vielleicht auch für meinen bayerischen Mann... ;-)

    Ich bin froh, ein Stückchen Grün zu haben, und ich werde es mir nach und nach ein wenig südlich gestalten. Dann muss nur auch das Wetter mitmachen!

    Saluti
    Ariane

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  5. Liebe Ariane, vielleicht könnt Ihr Euch im Ristorante Nr. 16 ein wenig trösten (60385 Frankfurt am Main - Bornheim, Löwengasse 27 a), ein wundervolles sardisches Restaurant, mit riesigen Schüsseln voller Pasta und Weingläsern mit Oberflächenspannung. Jedesmal, wenn ich wieder in Ffm bin, ist ein Besuch dort ein Muss. Und im Venos (Rödelheimer Landstrasse 75-85) habe ich zu meinen Frankfurter Zeiten sehr gut italienisch eingekauft. Lieben Gruß, Kathrin

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    1. Das kenne ich sogar, liebe Kathrin! Vor Jahren waren wir da schonmal essen. Der Wirt wollte uns was Gutes tun und servierte uns noch einen Berg Spaghetti al pomodoro zum Hauptgang - ungewöhnlich, aber lieb gemeint. Wir verließen das Ristorante sehr satt...

      Saluti
      Ariane

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  6. Hallo Liebe ....schick mir mal deine Adresse mach dir ein care Paket....aus Ischia....halte dich tapfer Bianca

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Danke für Deinen Besuch!
Über liebe Worte freue ich mich, aber auch über konstruktive Kritik. Anonyme oder beleidigende Kommentare sowie Werbelinks werden entfernt.

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