Dann lasst uns mal über Cassata reden! Das Eis? Nein, ich meine Cassata. Ja, das Eis eben! Nein, die Torte aus Sizilien. Der übliche Dialog: Cassata ist doch Eis! Das mit den kandierten Fruchtstückchen, Zitronat, Orangeat - weißt schon! So erklärte mir das auch ein italienischer Restaurantbesitzer, nachdem mein Mann sich schon auf eine echte Cassata freute, die er unter der Auflistung der üblichen Dolci auf der Speisekarte erspäht hatte. Da bekommst du Eis hier in Deutschland, hatte ich ihn vorher gewarnt. Es kamen drei Eiskugeln! Der Restaurantbesitzer, nach eigenem Bekunden mit kalabrischen Wurzeln, setzte noch eins drauf: Cassata ist immer Eis! IMMER EIS! Was denn sonst? Quod erat demonstrandum!
Cassata, eine echte sizilianische Cassata, ist aber vor allem und ausschließlich eines: eine Torte. Eine wunderschöne Torte, ganz nach sizilianisch-barockem Geschmack mehr oder weniger aufwändig verziert. Die Mutter aller Motivtorten sozusagen. An den Tortenwänden schlängelt sich der Zuckerguss wie das geschmiedete Eisen der barocken Balkongitter in Noto. Früchte arrangieren sich zu floralen Motiven wie die Marmorintarsien palermitanischer Kirchen. Und silberne Kügelchen - in Italien liebt man Argenteria, Silberwaren - lassen die Ausstattung aristokratischer Paläste erahnen, denen man die üppige Pracht und den Reichtum von außen nicht einmal ansieht.
Man nimmt der Behauptung, Cassata sei nur eine Eisspezialität, ganz schnell den Wind aus den Segeln, wenn man sich mit der Geschichte dieser Süßspeise vertraut macht. Auch dabei hilft wieder ein wenig Etymologie. Da gibt es zum einen die Erklärung, die Bezeichnung gehe auf das lateinische "caseum" zurück, was "Käse" heißt; Hauptzutat ist ja die Ricotta. Sehr viel wahrscheinlicher steckt in dem Wort Cassata aber das arabische quas'at, das "runde Schüssel" bedeutet. Jene Schüssel, die man zur Herstellung benutzte. Entstanden ist diese Süßspeise um das Jahr 1000 herum, während der arabischen Vorherrschaft in Sizilien. Denn es waren die Araber, die Rohrzucker, Zitrusfrüchte und kandierte Früchte nach Sizilien brachten. Außerdem kultivierten sie den Anbau von Mandelbäumen.
Die Cassata ist ein echtes Multikulti-Gemeinschaftswerk: Während der späteren Vorherrschaft der Normannen knetete man in den Klöstern Mandelmehl und Zucker zu Pasta reale (hier dazu weitere Ausführungen), oft eingefärbt mit gemahlenen Pistazien oder auch Kräutern; daher die grünen Elemente bei einer klassischen Cassata. Die Spanier brachten schließlich die Schokolade nach Sizilien.
Tja, dann nahte mein 12. Bloggeburtstag und ich nahm mir vor, endlich, nach vielem Hinausschieben (ich wusste schon warum...), eine Cassata zu diesem Anlass herzustellen. Allerdings kam mir diese Idee zu spontan und zu spät in den Sinn, denn es fehlte vor allem eines: die legendäre Form. Also wurde Ende der vergangenen Woche das Internet bemüht. Gleich mehrere Bestellungen gingen raus. Eine würde mit Express-Zustellung schon ankommen, dachte ich mir. Was rechtzeitig ankam am vergangenen Samstag, war eine amerikanische Pieform. In den kommenden Tagen erwarte ich dann die original Cassata-Form aus Sizilien. Wer zu spät kommt - ihr wisst schon!
Das Besondere an der Cassata-Form ist nicht nur der schräg gestellte Rand, sondern auch noch die kleine Rinne, ähnlich wie bei einer Obstkuchenform. Bei dieser ist allerdings der Rand wiederum nicht hoch genug. Diese Rinne erleichtert das Aufstellen der Marzipan- und Biskuitstreifen.
Die Zeit drängte, denn für die Herstellung braucht man drei Tage. Vorher musste ich noch die Zutaten suchen. Meinen Laden für frische Ricotta - leider nur aus Kuhmilch - hatte ich ja in den vergangenen Monaten gefunden. Im Original wird Ricotta aus Schafsmilch verwendet, die einen unheimlich milden und vollmundigen Geschmack hat - und überhaupt nicht nach Schaf müffelt! Wenn ihr eine Cassata nachbacken möchtet, sucht unbedingt nach loser Ricotta. Vielleicht kennt ihr einen italienischen Lebensmittelhändler, der diese im Angebot führt. Die abgepackte und in jedem Supermarkt zu findende von G. ist leider ungenießbar und macht alle Mühe zunichte!
Und übrigens: Auguroni, Tra dolce ed amaro!
- 5 Eier
- 150 g Zucker
- 75 g Mehl
- 75 g Kartoffelstärke
- 800 g frische Ricotta
- 250 g Zucker
- 80 g dunkle Schokoladentropfen
- 100 ml Wasser
- 50 g Zucker
- 3 El brauner Rum
- 100 g Marzipanrohmasse
- 50 g Puderzucker (eventuell mehr, hängt von der Speisefarbe ab)
- grüne Speisefarbe
- 1 Rolle weißer Fondant
- 200 g Puderzucker, eventuell mehr
- kandierte Fruchtstücke
- silberne Zuckerperlen
- weiße Zuckerschrift
- Pie- oder Cassataform, Frischhaltefolie
Original sizilianische Cassata mit einfachem grünen Rand in einem Agriturismo bei Selinunt |
Eine Cassat ist eine Torte. Punkt. Wer mir mit Eis kommt, kriegt was zu hören... ;-)
AntwortenLöschenAlles Gute zum Bloggeburtstag und auf die nächsten 12 Jahre!
Ganz liebe Grüsse aus der Schweiz.
Kurz und knackig auf den Punkt gebracht! :-) Danke für die lieben Wünsche! <3
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Ariane
Happy Bloggeburtstag!
AntwortenLöschenMir war nicht ganz klar, dass die "Torte" nicht als Eistorte serviert wird... wieder was gelernt! Dein Kunstwerk sieht richtig toll aus! Alles Liebe
Danke, liebe Friederike! Ja, so kenne ich sie aus Sizilien - nicht als Eis. Gestern kam dann übrigens die original Cassata-Form an... :-)
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Ariane
Respekt - so schön gelungen!
AntwortenLöschenMir ist Cassata auch als Torte ein Begriff, niemals als Eis(sorte).
Herzlichen Glückwunsch zum zwölften Bloggeburtstag :-)
Viele liebe Grüße aus Österreich
Elena
Danke, liebe Elena! Das sind so Rezepte, die man immer mal machen wollte, aber einen riesigen Respekt davor hatte. Und dann dachte ich: Just do it!
LöschenSaluti
Ariane